Die Geschichte Gleschs (Ausführliche Fassung)


Festvortrag aus Anlaß der 1000 Jahrfeier (1974) von Landesoberverwaltungsrat Dr. Kurt Schmitz, der im Auftrag der Gemeinde die Geschichte von Glesch wie folgt zusammenfaßte:

Im Sommer des Jahres 973 erscheinen zwei Urkunden, die den Erzbischof Gero von Köln und seine Interessen an bestimmten Stellen des Rheinlandes betreffen. Der eine, zum ersten Mal beurkundete Ort ist Leigelingon, Leichlingen, meine Heimatstadt, die am 11. August ihre 1000jährige Geschichte feierte und der andere Glessike, Glesch, ihre l000jährige Gemeinde. Der Anlaß zu diesen beiden Beurkundungen war grundverschieden. Während in Leichlingen ein Kloster zu Ehren des hl. Märtyrers Vitus erbaut werden sollte, (daß es zu diesem Bau doch nicht kam, ergab sich aus dem plötzlichen unerklärlichen Tod eines Sendboten des Kaisers in Leichlingen, der dem hohen geistlichen Herrn Gero dann doch den Ort ungeeignet erscheinen ließ), so stellte Glesch, damals Glessike, eine Ortschaft an der Peripherie des erzbischöflichen Wildbannes zwischen Aachen und Köln dar, Die letztgenannte Urkunde befindet sich im Hauptstaatsarchiv Düsseldorf.

Die Geschichte von Glesch geht weit über das Datum dieser Urkunde hinaus. Schon der Name verweist in vorfränkische Zeit. Aus vorchristlicher Zeit wurden Klingen, Scheibenkratzer und Beschläge im Raume Glesch gefunden, Werkzeugüberbleibsel, die von den Bewohnern der jüngeren Steinzeit benutzt worden sind. Ein Steinsarkophag, Ziegel-, Scherben-, Säulenreste und Trümmerstreuungen geben Zeugnis für eine römische Besiedlung. Weitere wertvolle Funde aus dieser Zeit werden zwar in der handschriftlichen Chronik von J. Thelen erwähnt, z.B. Münzen und Henkelkrüge und ein Matronenstein. Sie sollen jedoch seit dem Kriege verschollen sein.

Der Lößboden des Erftraumes war in Bezug auf seine Nutzbarkeit für eine frühe Landwirtschaft sehr geeignet. Er war leicht zu bearbeiten, sehr fruchtbar und spielte schon im Neolitikum als alter Ackerboden eine große Rolle. Die Wasserversorgung wurde durch die Erft und eine Reihe von zufließenden Bächen gewährleistet. Lichte Laubwälder waren vorherrschend.

Diese drei Faktoren Ackerbaumöglichkeit, Wasser und Wald waren die Voraussetzung für einen selbst in der Vor- und Frühgeschichte gleichbleibend dicht besiedelten Lebensraum.

In dieser Zeit standen die Menschen noch relativ passiv den Naturgegebenheiten gegenüber. Sie rodeten ein wenig Ackerland, hielten Haustiere, die in den Wäldern und Lichtungen weideten, aber dies alles in geringem Umfang. Während der römischen Periode finden dann bedeutende Eingriffe in die Landschaft statt. Große Waldflächen wurden gerodet und es entstand eine offene Ackerlandschaft. Dazu kam der erhöhte Bedarf an Bauholz für die Dachkonstruktionen der Häuser oder für Wege- und Brückenbauten und mit wachsender Zivilisation ein steigender Bedarf an Feuerholz für hypokaustierte Wohn- und Baderäume. Eine kräftige Entwicklung einer eigenständigen Kultur hat in dieser Gegend unter germanischer Vorherrschaft nicht stattgefunden, geriet doch das Land sofort unter den nivellierenden Einfluß der provinzialrömischen Kultur. Bis zu Beginn des 5. Jahrhunderts war das Gebiet Teil des römischen Imperiums. Das Kreisgebiet zeigt für etwa 400 Jahre das Bild einer rein ländlichen Besiedlung mit entsprechender Villenkultur, d. h. die Villen waren landwirtschaftliche Betriebe verschiedener Größe. Sie lieferten hauptsächlich Getreide an die Armee und die "Großstadt" Köln. Die Bewohner des platten Landes waren keine Stadtrömer und kaum Italiker, zum größten Teil waren es Germanen ubischer Herkunft, dazu kamen Freigelassene und Veteranen, Händler und Sklaven aus allen Teilen des Imperiums.

In fränkischer Zeit wurden Gehöfte und Heiligtümer durch eine große Anzahl von Feldwegen miteinander verbunden. Als römische Fernstraße ist die Strecke Köln - Thorr - Jülich - Barai sicher belegt [vielleicht auch : Trier - Zülpich - Glesch - Neuß und Oberempt - Kierdorf - Glesch - Köln].

Unter den Grabfunden des Kreisgebiets ragt hier der reiche Glescher Bronzefund mit drei Metallgefäßen hervor. Mit dem Jahre 259 begannen dann die Frankeneinfälle. Die Funde der fränkischen Zeit bestehen im Kreise Bergheim ausschließlich aus Grabfunden, wobei der bedeutendste Fund das Morkener Fürstengrab darstellt. Fränkische Adlige wie "der Fürst von Morken" stellten das Führungspotential der Merowingischen Herrscher dar. Ein straffes stehendes Heer gab es nicht. Bischöfe und Gaufürsten verfügten über militärische Bereitschaften, die sie gegebenenfalls, d. h.weniger im Verteidigungsfall, als bei einem lohnenden Beutezug einsetzen konnten. Dabei spielt die Raublust der Franken eine grundlegende Rolle. Von geringer Disziplin, stets zu Meutereien aufgelegt, ohne raffinierte Schlachttaktik vertrauten sie allein auf die Gewalt ihres geschlossenen Ansturmes. Die Lust am Beutemachen übertraf die Kriegskunst bei weitem. Bei der fränkischen Landnahme wurden die römischen Villen fast alle zerstört, da zur urtümlichen Form der fränkischen Kriegsführung das Prinzip der totalen Vernichtung aller am Kampfort vorgefundenen Immobilien gehörte. So verödeten die römischen landwirtschaftlichen Betriebe und Wälder wuchsen darüber. Alles wurde reorganisiert und die neuen Herren besetzten vor allem fruchtbare Ufergebiete und leicht nutzbare Böden. Diese fränkisch-karolingischen Siedlungen auf dem Lande waren keine Dörfer mit mehreren gleichwertigen Höfen, sondern Hofsiedlungen oder Weiler, die aus einem oder mehreren umzäunten Gehöftgruppen bestanden. Zum Siedlungstyp der Frankenzeit liegen nur wenige archäologische Anhaltspunkte vor. Der Wohnkomfort dieser zwar solide gebauten und fugendichten Holzhäuser war, verglichen mit den aufwendigen Steinbauten der Römer bescheiden. Die sogenannten Siedlungskammern der fränkischen Zeit decken sich hierbei mit den in spätkarolingischer und hochmittelalterlicher Zeit bezeugten Gauen.

In einer zweiten für die Gemeinde Glesch bedeutsamen Urkunde wird der Name Glessike zwar nicht ausdrücklich erwähnt, doch liegt der Ort in den größeren angeführten Gauen im Erftgebiet. Es handelt sich hierbei um die einzige erhaltene Traditionsurkunde des Stiftes Essen von König Zwentibold aus dem Jahre 898. Der Karolinger Zwentibold war Unterkönig von Lothringen 985-900. Er hatte zum Pfingstfest des Jahres 898 die Gastfreundschaft der Äbtissin Wickburg im Essener Damenstift genossen und schenkte auf Anraten seines Schwiegervaters, des Herzogs Otto von Sachsen, dem Stift mehrere Güter an der Erft. Ein Teil dieses reichen Besitzes ging durch Auslieferung an den Erzbischof von Köln in einem Vertrag aus dem Jahre 1027 verloren. In späteren Quellen sind nur noch einige Höfe im Besitz des Damenstiftes, unter ihnen auch Glesch, zu finden.

Hatte der karolingische Fiskus im Erftland das Erbe des römischen Staates angetreten und wurde das Land nach einer streng hierarchisch gegliederten königlichen Grundherrschaft regiert, so unterstanden gewisse Bezirke durch Schenkung und Belehnung, zu ihnen auch Glesch gehörend, der Macht kirchlicher Grundherren oder in anderem Falle dem Adel. Die Aufgabe der ländlichen Güter war es, die königliche Haushaltung oder andererseits den Bedarf der kirchichen wie adigen Obrigkeit zu versorgen.

Da die Christianisierung der Bevölkerung auch ein großes politisches Anliegen der Könige war, erfreuten sich die Missionare des tatkräftigen Wohlwollens der Karolinger-Hausmeier und manches Patrozinium läßt auf eine Gründung in diesem Zeitraum schließen. Das Kosmas und Damian-Patrozinium von Glesch bezeugt hier die Verbundenheit mit dem Essener Stift.

In den folgenden Jahrhunderten ging die Macht des Königs im Erftgebiet mehr und mehr auf die Reichsaristokratie, d. h. auf einige wenige Familien des Adels die Nobiles über (Glesch untersteht zu dieser Zeit jedoch noch der Kirche). An der Spitze des rheinischen Hochadels rangiert das Haus der Pfalzgrafen, die Grafen von Hochstaden und der Grafen von Are. So waren beträchtliche Teile des alten Reichsgutes nach der Jahrtausendwende in den Händen dieser Familien. Die großen politischen Kräfte Köln und Jülich die später das Geschehen an Rhein und Erft bestimmten, traten zunächst noch nicht in Erscheinung; sie faßten hier im Raume erst seit dem 13. Jahrhundert durch Erbschaft, Kauf und Verpfändung Fuß. Das Aussterben der meisten hochadeligen Geschlechter ebnete ihnen dafür die Bahn. Um die Zeit, da der alte Hochadel allmählich von der Bühne des Geschehens abtrat, entstand ein neuer Adel. Diese ritterlichen Familien (z. B. Harff-Bohlendorf) sind im Dienste des älteren Hochadels und der reichen Klöster groß geworden. Durch Belehnungen mehrerer Herren, gelangten manche von ihnen zu beträchtlichem Reichtum. Mit dem Entstehen der Territorien bildeten sie den Stamm der Beamten und Offiziere. Ihre Wohnsitze sind es, die als Wasserburgen das Bild der Erftlandschaft noch heute mitbestimmen.

Der Besitz des Essener Klosters an der Erft war einer der größten zusammenhängenden Reichsgutkomplexe, hier herrschte die alte Organisation der Fronhofverfassung.

Obwohl die Schenkungsurkunde König Zwentibolds Glesch und Paffendorf nicht nennt, hat man immer angenommen, auch diese beiden Orte seien damals an Essen gekommen. Wobei Paffendorf vorübergehend zu St. Maximin Trier gehörte. Ein Weistum des 15. Jahrhunderts gibt ausführliche Kunde über Glesch und Paffendorf. Die Fischereirechte an der Erft werden erläutert und das Stift Essen hat die beiden Höfe im Laufe der Zeit noch insofern aus dem übrigen Besitz hervorgehoben, als die Abgaben der abhängigen Höfe, ganz gleich, wo sie lagen, an Glesch und Paffendorf abgeführt werden mußten. Die Schultheißen dieser beiden Höfe hatten dem Stift über große Einnahmen abzurechnen. Dieser Posten war daher sehr begehrt. Im Jahre 1287 mußte das Stift große Zugeständnisse machen, um Johann von Reifferscheid, Herr zu Bedburg, seine Schwester Mathilde und deren Erben zum Verzicht auf das Erbschultheißenamt zu bewegen. Es wurden ihnen sämtliche Pachtrückstände erlassen, was fast einem Rückkauf gleichkam. Die Leitung der landwirtschaftlichen Gehöfte lag in den Händen eines Dekans oder Baumeisters. Um dem Ärger mit den einheimischen Adeligen aus dem Wege zu gehen, bestellten die Essener Damen einen Kleriker ihres Kapitels zum Schultheiß und Pfarrer von Paffendorf. Im Jahre 1329 wurde durch den Bischof Adolf von Lüttich bestimmt, daß künftig alle Pfarrer aus dem Essener Kanoniker Kapitel genommen werden mußten. Seit dieser Zeit finden wir Essener Kanoniker, die sowohl die Pfarrstelle als auch das Schultheißenamt inne haben. Ein Wulfram, Schultheiß und Pastor wird uns in einem Dokument von 1338 in dieser Doppelfunktion genannt. Auf die Dauer war aber auch auf die geistlichen Schultheißen kein Verlaß. Deshalb wurden gegen Ende des 14. Jahrhunderts die Höfe und die einkommenden Gefälle auf Zeit verpachtet. Bis zur Mitte des 15. Jahrhunderts wurde die Pacht in Naturalien bezahlt, wozu noch als Pflicht die Fahrdienste kamen, später dann erst in Geld.

Der Hof Glesch mit 35 Unterhöfen am Ort und 29 außerhalb sowie einer Mühle, hatte die gleiche Verfassung wie der Hof Paffendorf mit dem er eng verbunden war.

An der Spitze der Hofverbände stand der Schultheiß, die wirtschaftliche Leitung und später die Einhebung überwachte bei beiden Höfen ein Dekan. Diese Trennung in Wirtschafts- und Verwaltungsbeamte stammt aus alter Zeit. Die Dekane oder Baumeister waren die Leiter der grundherrlichen Eigenwirtschaft! Nach Aufgabe der Eigenwirtschaft wurde das Salland in einzelnen Teilen von 15 Morgen und einer Wiese von etwa ½ Morgen zur Intensivierung der Bewirtschaftung an die einzelnen Bauern als Zinsgüter ausgegeben; sie wurden als "bonum integrum" bezeichnet. Die Leistungen des Fronhofes sind auf sie übertragen worden. Zu St. Andreas zahlten sie je 6 Denare und einen Quadranten, zu Epiphanie 2 Malter Gerste und 1 Malter Hafer kölnischer Maße, zu St. Vitus 7 1/2 Denare in dem einen, 15 Denare im anderen Jahr und zu St. Remigius 4 Malter Weizen. Die Leistungen der Höfe in Glesch waren geringer. Die Höfe außerhalb von Paffendorf und Glesch sind von solchen Verpflichtungen befreit und nur die Zahlung der Geldzinsen schuldig gewesen. Sie waren dem Hofverband nur lose angeschlossen und sind nicht aus dem Salland hervorgegangen. Die gesamten Einkünfte betrugen jährlich: von Paffendorf 6 Mark 8 Schillinge 10 Denare in einem und 1 Mark 9 Schillinge 3 Denare in dem anderen Jahr, 144 Malter Weizen, 72 Malter Gerste und 35 Malter Hafer; von Glesch 4 Mark 4 Schillinge 6 Denare, 72 Malter 11 Sümmer Weizen und 8 Malter 9 Sümmer Gerste, wobei aber der Geldzins der Güter außerhalb des Ortes unberücksichtigt bleibt. Das Weistum des 15. Jahrhunderts gibt die einzelnen Abgabetermine genau an. Zum Paffendorfer Hofverband gehörten fünf Mühlen; eine zu Kirdorf, eine zu Glesch, eine zu Paffendorf, eine zu Haldenich, die im 15. Jahrhundert mit der von Paffendorf vereinigt wurde.

Im Laufe des Mittelalters verlor das Königtum immer mehr an staatlicher Gewalt, das Erbe traten die Territorialherren an, d. h. einerseits die Erzbischöfe von Köln, andererseits die Grafen von Jülich. Keiner der beiden Landesherren hat in der Frühzeit größeren Besitz an der Erft gehabt. Auf die Hoheit des fränkischen Staates über Forsten und Straßen lassen sich jedoch wichtige Rechte der Grafen von Jülich zurückführen. Seit dem Ende des 14. Jahrhunderts ließen sich die Jülicher von den Pfalzgrafen die Hoheitsrechte über Forste und Straßen zwischen Maas und Rhein als Lehen verbriefen. Zwar besaßen die Kölner Erzbischöfe weit ältere Rechte, wie aus dem Diplom Ottos II. in dem auch Glesch als Grenzort erwähnt wird, hervorgeht; doch konnten sie diese auf Dauer nicht behaupten. Nach der Schlacht bei Worringen, in der der lange schwelende Konflikt zwischen Köln und Jülich ausgetragen wurde, unter dem das Erftland stark in Mitleidenschaft gezogen wurde, waren die Machtverhältnisse am Niederrhein grundlegend geändert. Mit der Vorherrschaft Kölns war es für alle Zeiten vorbei. Nur das Geleitrecht von Bergheim bis Köln konnten die Erzbischöfe unter großen Schwierigkeiten schließlich behaupten, obwohl die Jülicher von den Pfalzgrafen auch damit belehnt worden waren. Die Ortsgrenze des Jülicher Herrschaftsbereiches wurde dagegen auf Dauer bestimmt von den Vogteirechten, welche die Pfalzgrafen zu Lehen gaben. Aus den Vogteien Bergheim - Paffendorf (mit Glesch) und Türnich entstanden die Jülicher Gerichte: Bergheimer Dorf und Paffendorf (mit Glesch) sowie die Unterherrschaft Türnich. Die Grundlage dieser Bezirke bildete der Besitz der Reichsklöster Kornelimünster und Essen. Da die Äbte als weltliche Richter nicht in Frage kamen, bedurften sie für die Hochgerichtsbarkeit weltlicher Vögte. Beide Klöster konnten die Vogtei der Pfalzgrafen und ihre Nachfolge nicht abschütteln und sie mußten sich daher auch damit abfinden, daß aus den Vögten schließlich Landesherren wurden.

Hier hinein gehört eine Urkunde vom 15. August 1344 in der Markgraf Wilhelm von Jülich befiehlt, auf Grund seines Vogtbriefes sämtliche Essener Stiftshöfe in seinem Lande (auch dem Oberhof -Paffendorf) bei etwa entstehenden Streitigkeiten wegen Erbschaft oder Abgaben sich an das Obergericht in Essen zu wenden.

In einer am 10. Juli 1436 ausgestellten Urkunde versetzen Herzog Adolf von Jülich-Berg und Herzogin Elisabeth ihr Drittel an den Dörfern Glesch und Paffendorf an Gumbrecht von Neuenahr, Vogt zu Köln, Herrn zu Alpen. Nach dem Tode des Herzog Adolf erscheint am 29. September 1450 ein Revers des Gumbrecht, der die Verschreibung auf die Dörfer Paffendorf und Glesch, die ihm weiland Herzog Adolf erteilt und Herzog Gerhard erneuert hat, für die Lebenszeit der Elisabeth von Bayern, Witwe Herzogs Adolfs, die mit den Dörfern bewittumt ist, unwirksam bleiben soll.

Für die eigentümliche Verteilung einzelner Gerichte auf die Ämter Bergheim und Kaster sind dynastische Gegebenheiten verantwortlich. Die Söhne des 1278 in Aachen gefallenen Grafen Wilhelm von Jülich teilten das Erbe des Vaters. Gerhard der dritte Sohn erhielt Kaster zusammen mit der Vogtei Paffendorf. Das aus der Vogtei entstandene Paffendorf blieb dabei für alle Zeiten dem Amt Kaster zugeordnet.

Verlassen wir das Mittelalter und wenden wir uns der Neuzeit zu, an deren Anfang die Reformation des 16. Jahrhunderts steht.

Die Reformation im Raume Glesch

Wie sah es nun im Umkreis von Glesch zur Zeit der Reformation aus? Bedburg und die zu ihm gehörigen Pfarreien haben einmal dem evangelischen Gottesdienst angehört. Wenigstens für die Spätzeit der Herrschaft der Grafen von Neuenahr ist dies so allgemein mit Sicherheit zu sagen. Aber die Entwicklung bis dahin liegt für uns vielfach im Dunkeln. Christliche Kirchen im Kreise Bergheim waren zu Beginn der fränkischen Landnahme noch nicht vorhanden. Auf dem Lande herrschte hier in spätfränkischer und frühmittelalterlicher Zeit das Eigenkirchenwesen, d. h. die Kirche wurde von einem Grundherren auf seinem Boden gebaut und unterstand ihm daher als sein Eigentum. Seit 10. Jahrhundert mit dem Schwerpunkt offenbar im 11. Jahrhundert gingen die adligen Grundherren dazu über, sich einen festen Sitz in Form einer Motte anzulegen (Holzbau). Ein zusammenhängendes Bild des geschichtlichen Verlaufs der Reformation kann nicht nachgezeichnet werden. Der Grund liegt darin, daß die zeitgenössischen Quellen-Urkunden und Akten aus dieser Zeit nur in geringer Zahl und ganz lückenhaft überliefert sind. Die Pfarrarchive selbst sind kaum Fundgruben, sich über das kirchliche Leben damals zu informieren. Dies ist kein Zufall. Galt doch im später wiedererstandenen katholischen Kirchenleben diese Zeit als eine Zeit des Glaubensabfalls. So konnte keinerlei Interesse daran bestehen, darüber eingehende Kenntnisse aufzubewahren. Und durch die Wirren seit dem Kurkölnischen Krieg von 1583 bis zum Ende des Dreißigjährigen Krieges ist auch die Überlieferung der staatlichen Verwaltungsakten im Kurfürstentum Köln im allgemeinen und der Herrschaft Bedburg im besonderen so stark dezimiert, daß sie nur wenig für den geschichtlichen Rahmen hergeben. Trotz der Dürftigkeit der Quellen darf als gewiß angenommen werden, daß der Protestantismus um 1543 im kirchlichen Leben der Grafschaft stärker hervorgetreten ist. Die Ausmaße aber sind nur sehr schwer abzuschätzen. Es gilt ebenfalls als sicher, daß bei Durchführung des kaiserlichen Interims von 1548 in der Erzdiözese und in den niederrheinischen Ländern [in den Jahren 1545-1550] der katholische Gottesdienst überall wiederhergestellt und noch evangelisch amtierende Geistliche von ihren Stellen entfernt worden sind.

Für das Verhältnis der Konfessionen in Deutschland ist der Augsburger Religionsfriede von 1555, der die Entscheidung über die Konfession den einzelnen Landesherren anheim gab, grundlegend geworden.

In den Jahren zwischen 1556-1567 - eine Zeit, welche die Regierung dreier Kölner Erzbischöfe umfaßte - wurde jedoch wenig gegen den Protestantismus unternommen. Dies begünstigte die protestantischen Kräfte im Lande und ließ sie wiederum zahlenmäßig anschwellen. In manchen kleineren Herrschaften überwog die Zahl der evangelischen Gläubigen die der katholischen. Der bedeutendste Komplex dieser Art ist der neuenahrsche Besitz unter dem Grafen Hermann, der zugleich auch Herr von Bedburg ist.

Während in Kurköln allgemein mit dem Amtsantritt des Erzbischofs und Kurfürsten Salentin von lsenburg (1567-1577) und in Jülich mit dem spanischen Druck auf die Regierung seit 1567/68 die Gegenreformation beginnt, bleiben diese kleinen Länder unter ihren Regenten zunächst davon unberührt.

Mit der Bedburger Synode vom 3. und 4. Juli 1571 tritt die Stadt zum ersten Male als Stützpunkt des gesamten Protestantismus zwischen Maas und Rhein hervor. Graf Hermann von Neuenahr starb im Jahre 1578 kinderlos und somit wurde das weitere Schicksal Bedburgs und seines weitgehend evangelischen Landeskirchentums ungewiß. Es kam zu einer Erbauseinandersetzung zwischen dem evangelischen Adolf von Neuenahr aus der Alpener Linie und dem katholischen Grafen Werner von Salm-Reifferscheid und Herrn von Dyck. Der erstere wurde vom Kölner Kurfürsten Gebhard Truchsess von Waldburg und von der Niederlanden, der letztere von Spanisch-Österreichischen Interessen gestützt.

Zunächst bleibt Graf Adolf unangefochtener Herr von Bedburg und treibt die reformierte Kirchenpolitik seines Vorgängers in weit krasserem Maße vorwärts, doch der kleinen Bedburger Landeskirche wurde dann der kölnische Krieg von 1573, der durch den Übertritt des Kurfürsten Gebhard Truchsess von Waldburg zum Protestantismus ausgelöst wurde, zum Schicksal. Mit der Parteinahme der Niederlande, der Nassauer und der Kurpfalz für ihn und der spanisch-bayrischen Unterstützung für seinen erzbischöflichen Gegenkandidaten Ernst von Bayern gerät Bedburg und sein Umland in die Auseinandersetzung der Großmächte. Die Stadt wurde im Frühjahr 1584 von bayrischen Truppen besetzt. Das Jahr 1584 wurde das Jahr der Beendigung des evangelischen Gottesdienstes und der Entfernung aller evangelischen Pfarrer aus ihrem Amt sowie der Wiederaufrichtung des katholischen Gottesdienstes.

Die Masse der Bedburger Flüchtlinge begab sich nach Aachen, jener Stadt, die zu dieser Zeit den Reformierten Duldung und öffentlichen Gottesdienst bot. Der Wiederaufbau katholischen Lebens selbst wurde von den Kölner Augustinern geleitet; wobei das katholische Kirchenleben nun, wie zu seiner Zeit das evangelische seinen stärksten Rückhalt in seiner weltlichen Obrigkeit fand.

Der Raum um Glesch im 16. Jahrhundert

Drei Kriege waren es, die im 16. Jahrhundert das Erftland mehr oder weniger heftig in Mitleidenschaft zogen.

1) Zunächst d. h. in der ersten Hälfte des Jahrhunderts führte Herzog Wilhelm V., auch der Reiche genannt, mit Kaiser Karl V.einen Kampf um en Besitz von Geldern. Zerstörungen und grausame Plünderungen auch im Gebiet von Kaster und Bergheim sind bzeugt (Wilhelm unterlag).

2) Gebhard Truchsess von Waldburg, Erzbischof zu Köln, verkündete 1582 seinen Übertritt zum Protestantismus. Der Papst setzte ihn ab und mit Hilfe bayrischer Truppen wurde der vom Domkapitel gewählte Ernst von Bayern in sein Kurfürstentum eingführt. Gebhard gab aber seine Stellung nicht kampflo auf. Der nun folgende Krieg wurde nicht mehr mit ritterlichen Lehnsleuten und bäuerlichem Aufgebot geführt, sondern die Heere der beiden Parteien bestanden nur noch aus Söldnern und die Landknechte lebten von dem, was das Land bot, und dies wurde meist mit Gewalt requiriert. Ein Zentrum der truchseßschen Macht war Bedburg und Glesch, das erst nach schweren Kämpfen 1584 von den Bayern für den Erzbischof gewonnen wurde.

3) Der Kölner Krieg verquickte sich mit dem Freiheitskampf der Niederländer gegen Spanien. Gegen den panischen Stützpunkt Kerpen waren schon 1578/79 Truppen der Generalstaaten angerückt und hatten die Burg erobert. Stand das Kriegsglück zunächst bei den Niederländern, so fiel die Festung 1579 an die Spanier. Die Anzahl der Exekutierten auf beiden Seiten war groß. Die beiden Befehlshaber wurden nebst einer stattlichen Anzahl ihrer Mannen bei der jeweiligen Übernahme der Burg gehenkt.

Städte und Burgen des platten Landes wurden so um ihren ursprünglichen Zweck gebracht. Sie boten den Einwohnern des Landes keinen Schutz mehr; sondern einer grausamen und zügellosen Soldateska Unterschlupf und wurden zu einer dauernden Bedrohung.

In Glesch tauchen zu dieser Zeit die Namen von Harff (1562) und von dem Bongart (1597) als Besitzer von Höfen auf.

1577 ging der Stamshof von der Familie von Stam an die von Lülsdorf über. Besagter Stamshof kam dann 1726 an die Abtei Altenberg, die um 1777-82 hier Neubauten errichtete.

Wir springen in die Mitte des 17. Jahrhunderts

Eine im Jahre 1651 ausgeschriebene Urkunde, in der Pfalzgraf Wolfgang Wilhelm seinen Erbkämmerer und Amtmann zu Kaster, Johann Bernhard Freiherr von Bongart, mit den im Amte Kaster gelegenen Dörfern Glesch und Paffendorf belehnt, läßt den Namen eines neuen Landesherren, des Pfalzgrafen Wolfgang Wilhelm von Pfalz-Neuburg auftauchen.

Als der geistig umnachtete Herzog, Johann Wilhelm von Kleve-Jülich Berg, kinderlos und als letzter seines Stammes im Jahre 1609 starb, erlosch das Herzoghaus am Niederrhein und der Erbfall wurde akut. Die vier mit Nachkommen gesegneten Schwestern des Verstorbenen diskutierten die Erbfrage aufs Heftigste. Auf Grund eines Privilegs hätte dem Sohn der ältesten Schwester Johann Wilhelms das Erbe gegeben werden müssen. Sie hatte aber keine Söhne. So bezeichnete Anna, die zweite Schwester des Verstorbenen und Gattin des Pfalzgrafen Philipp Ludwig von Neuburg ihren ältesten Sohn Wolfgang-Wilhelm als rechtmäßigen Inhaber des Anspruchs. Auch der Kaiser mischte sich ein und selbst für das Ausland war das Problem von großem Interesse. Bevölkerung und Stände des Herzogtums waren konfessionell gemischt. Es war den Grenznachbarn keinesfalls gleichgültig, ob es zu einer katholischen oder protestantischen Erbfolge kam. Die Holländer wünschten eine protestantische, die spanischen Niederlande eine katholische Dynastie; Frankreich wünschte mit Hilfe evangelischer Reichsfürsten den Habsburgischen Einfluß am Niederrhein zurückzudrängen; die Habsburger dagegen, ihre dortige Position weiter auszubauen. Weil also alle Mächte ihre Interessen unverhüllt zeigen, sahen sich die Erbanwärter genötigt, die Protektion einer der großen zu erreichen, um so zum Ziel zu kommen.

Als mit dem Tode Johann Wilhelms der Erbfall akut wurde, rückten Brandenburg und Pfalz-Neuburg sofort mit Truppen ins Land und errichteten, bis zur Klärung der Rechtslage durch ein Schiedsgericht eine vorläufige Gemeinschaftsregierung. Hiergegen nahm mit ungewohnter Entschiedenheit der Kaiser Stellung. Er selbst errichtete eine kommissarische Regierung und ernannte den Erzherzog Leopold zu deren Administrator. Seinem Befehl, das Land zu räumen, leisteten die Besatzungstruppen aber keineswegs Folge, sondern schickten sich an, ihren Erwerb mit Waffen zu verteidigen. Als der Brandenburger zum Kalvinismus und fast gleichzeitig der Neuburger zum Katholizismus übertraten, hielten es Spanien und der Kaiser (und die Liga) für besser, sich hinter den Pfalzgrafen zu stellen. Holland dagegen trat nachdrücklich für den Kurfürsten ein. Hierüber drohte es erneut zu einem Zusammenstoß zu kommen. 1614 marschierten Spinola (von Belgien) und Moritz von Oranien (von Holland) an den Rhein und vereinigten sich mit ihren Verbündeten. Doch ehe es zum Kampf kam, griffen England und Frankreich vermittelnd ein und erzwangen einen Ausgleich. Sie sprachen jedem das halbe Land zu: der Pfalzgraf erhielt das vereinigte Herzogtum Jülich-Berg, der Kurfürst Kleve mit den Grafschaften Mark und Ravensberg. Ungeachtet der politischen Trennung, die der Vertrag von Xanten im Jahre 1614 zog, blieben gemeinschaftliche Verfassungseinrichtungen zwischen den Landesteilen bestehen. Und obwohl ein lokaler Kleinkrieg sich noch jahrzehntelang zwischen den neuen Landesherren fortsetzte, fand mit der Xantener Regelung der Erbstreit im wesentlichen sein Ende.

Der Dreißigjährige Krieg fand am Niederrhein sein Vorspiel im Jülich-Klevischen Erbfolgestreit, der durch den Tod Johann Wilhelms Herzogs von Jülich-Kleve-Berg im Jahre 1609 ausgelöst wurde. (Er wurde durch den erwähnten Vertrag von Xanten im Jahre 1614 beendet.) Die Länder Jülich und Berg kamen an das Haus Pfalz-Neuburg. Hatte der Xantener Vertrag u. a. bestimmt, daß alle fremden Truppen aus den umstrittenen Erbländern abziehen sollten, behielten Spanier und Niederländer ihre bis dahin eingenommenen Plätze weiter in Besitz. Frankreich verbündete sich im Jahre 1635 mit Hessen-Kassel gegen den Kaiser. Kurköln stand auf Seiten des Kaisers und Wolfgang Wilhelm erklärte seine Länder für neutral. Leider war dieser seiner Politik kein Erfolg beschieden. Und er und seine Länder wurden in das Kriegsgeschehen mit hineingezogen. Die Erft war dabei eine wichtige, heftig umstrittene strategische Linie. Trotz der Proteste Wolfgang Wilhelms richteten sich Verbündete und Feinde im Lande ein und bezogen Quartiere. Bedburg, Bergheim und Kaster wurden zu Lagern fremder Soldateska. Wie es damals militärischer Brauch war, zogen die Heere fleißig umher, mieden möglichst ein Zusammentreffen mit dem Gegner und drangsalierten die Bevölkerung. Dabei hinterließen sie, wie ein zeitgenössischer Bericht es formuiliert, das Land zwischen Erft und Niers wie "von Heuschrecken kahlgefressen". Als sich die Franzosen im Oktober 1642 von den Hessen getrennt hatten, konnten die Kaiserlichen eine Offensive gegen die festen Plätze des Feindes im Süden wagen. Jan van Werth erschien mit vier Regimentern im Raum von Düren, am 3. Oktober traf er in Glesch ein und eroberte die festen Plätze an der Erft zurück. Der Kriegsschauplatz verlagerte sich zwar nun in andere Gebiete, aber für das Erftland begann eine mehr als zehnjährige Besatzungszeit, die noch unerträglicher war als die Jahre vorher. Diese Besatzungszeit dauerte bis über den Friedensschluß von Osnabrück im Jahre 1648 hinaus an, da den Hessen beträchtliche Kriegsentschädigungen zugesagt worden waren. Wolfgang Wilhelm mußte seine ausgebluteten Länder immer wieder zur pünktlichen Bezahlung der hohen Kontibutionen anhalten. Mitten in der Saatzeit wurden den Bauern die Pferde weggeholt. 1650 verließen die Hessen Kaster und Bergheim; und die Schweden, die 1649 in Bedburg eingerückt waren, das Land.

In der zweiten Hälfte des Jahrhunderts berührten auch die Kriege Ludwigs XIV. das Kreisgebiet und brachten Zerstörung und Plünderung. Der Wiederaufstieg aus diesen langen Zeiten der Drangsal war entsprechend schwer und langsam. 1667 belehnt Pfalzgraf Philipp Wilhelm seinen Erbkämmerer Bernhard Freiherrn von dem Bongart und dessen Erben mit der Jurisdiktion "in Civil - und gemeinen Malefitz Sachen" in den Dörfern Glesch und Paffendorf.

Das 18. Jahrhundert war für Glesch und den Erftraum überwiegend eine Zeit des Friedens ohne große dramatische Akzente. In Glesch herrscht die Familie von dem Bongart, die 1721, 1746 und 1782 vom jeweiligen Landesherrn mit der Gerichtsbarkeit belehnt wird. Erst die französische Revolution ließ es wieder zu Kriegsereignissen im Erftgebiet kommen. Doch es waren nicht nur die Kampfhandlungen der französischen Heere und ihrer Gegner, es waren die Ideen der Revolution, die Unruhe unter das Volk brachten. Zunächst erschien die konstitutionelle Monarchie in der durch die erste französische Verfassung vom 3. September 1781 festgelegten Form vielen Rheinländern als vortreffliche Einrichtung. Hier wie in Frankreich hatte ein Teil der Landbevölkerung in der Revolution von Anfang an das willkommene Hilfsmittel erblickt, sich endlich von all den vielfachen Lasten zu befreien, die seit dem Mittelalter den Bauernstand einseitig bedrückten. Die Aussicht, daß der Zehnt für immer aufgehoben sei und Adel und Bauern nach dem gleichen Gesetz gerichtet würden, erschien in der Tat großartig.

Am 20. April 1792 erklärte Ludwig XVI. von Frankreich, Österreich den Krieg. Das mit Österreich in einem Defensivbündnis vereinigte Preußen erklärte sich durch Friederich Wilhelm sofort mit Österreich solidarisch. Von den Kämpfen dieser Heere wurde auch das Erftland durch Einquartierungen, Fouragieren und Dienstleistungen mittelbar betroffen. Lebensmittel und Kieidung, vor allem aber Wagen und Pferde, Hafer, Heu und Stroh wurden von den nach Köln durchziehenden Truppen requiriert. Darüber hinaus wurden Contributionen [= Beiträge zu den Kriegskosten geforderte Geldsummen] ausgeschrieben.

Die hochgespielten Versprechungen: Freiheit, Gleichheit, Friede den Hütten, Krieg den Schlössern, die Aussicht darauf, daß "die Bauern in Zukunft Spargel und Blumenkohl, so sonst nur für Pfaffen und Junker gewachsen wären", selbst essen könnten, erfüllten sich nicht, ja der Verlust der requirierten Pferde wirkte sich so empfindlich aus, daß ein Teil der Felder für das Jahr 1795 nicht bestellt werden konnte und der Getreidepreis stark anstieg.

Die französische Verwaltungsorganisation in der 20jährigen Besatzungszeit des Rheinlandes wirkt noch bis in unsere Gegenwart fort. Nicht nur der heutige Kreis Bergheim ist aus den beiden französischen Kantonen Bergheim und Kerpen mit den Mairien als Bürgermeistereien im Jahre 1816 gebildet worden. Aus dieser Zeit stammen ebenfalls die ersten Ansätze der späteren Industrialisierung - Braunkohle und Zuckerindustrie.

Die erste neue Verwaltungsordnung war die Umbildung der bestehenden Ämter in "municipalité" [der Munizipalrat ist der Gemeinderat]. Im Jahre 1795 bestanden in dem Bereich zwischen Maas und Rhein acht Bezirksverwaltungen ("arrondissements"). Diesen waren die Zentralverwaltung in Aachen übergeordnet. Als höchste Instanz wurde eine rein französische Mittelkommission ["commission intermediaire"] mit dem Sitz in Bonn geschaffen. Von hier aus sollte in den niederrheinischen Landen ein "cisrhenanischer" Pufferstaat gebildet werden. Als Werbemittel für die cisrhenanische Republik war die Befreiung von Zehnten und Feudallasten gedacht, doch der Erfolg war gering. Zwar wurde auch in Bergheim ein Freiheitsbaum gepflanzt, doch es war nur eine republikanische Minorität innerhalb der Bevölkerung, die sich für die neue Idee entflammte. Das "Frankfurter Journal" vom 28. Oktober 1797 berichtet: "Das Jülicher Land ist endlich auch der Schauplatz der Taten der cisrhenanischen Revolutionäre geworden. Einige ihrer Missionäre haben dieser Tage in Bergheim einen Freiheitsbaum errichtet. Die Bauern der nächsten Ortschaften waren zwar zu diesen Feierlichkeiten eingeladen worden, es kam aber keiner und außer denen, die ihn setzten, waren nur 40 Dragoner als Bedeckung gegenwärtig." Auch weigerte sich die Bürgerschaft, die für dieses Fest ausgelegten 400 Reichstaler zu zahlen. Wegen einer Klage der kleinen cisrhenanischen Gruppe in Bergheim, daß die Bevölkerung nicht zahlungswillig sei, kam jedoch von der französischen Mittelkommission in beachtlicher Konsequenz ihrer Ideologie nur die Anweisung, die Cisrhenanen hätten die Kosten selbst zu tragen - nach dem Motto "wer die Musik bestellt, bezahlt sie auch". Die Revolution dürfe in den eroberten Ländern nicht anders unterstützt werden, als sofern es der erklärte wahre Wille eines Volkes sei, frei zu sein. Bereits seit dem Januar 1795 war das Verlangen der französischen Regierung nach Erklärungen der rheinischen Bevölkerung in dem Sinne, daß sie mit der französischen Republik vereinigt zu sein wünsche, wiederholt zum Ausdruck gekommen und es wurden Stimmen und Stellungnahmen gesammelt. Unter den 41 Kantonen des Departements de la Roer sandten neun Kantone keine Zustimmungserklärungen ein. Zu ihnen zählte auch Bergheim und zum Kanton Bergheim, Glesch (1798). Die Durchführung dieses Planes scheiterte, doch eine andere französische Errungenschaft, das neue, vom Jahre 1804 ab in Frankreich geltende bürgerliche Recht, der Code Civil, auch Code Napoleon genannt, galt bis zur Einführung des Deutschen Bürgerlichen Gesetzbuches am 1. Januar 1900 u. a. auch im linksrheinischen Teil von Preußen. Eine weitere einschneidende Maßnahme war die Säkularisation. Durch das Dekret vom 9. Juli 1802 wurde die völlige Aufhebung aller geistlichen Genossenschaften und die Einziehung ihres gesamten Vermögens angeordnet. Die drei rheinischen Erzbistümer Köln, Mainz und Trier blieben nicht weiter bestehen. Das Erzbistum Köln ging dabei vollends unter, die beiden anderen wurden einfache Bistümer. Das linksrheinische Gebiet wurde Teil des neuen Bistums Aachen. Glesch erhielt 1801 selbständige Pfarrrechte, die ihm 1808 zugunsten von Paffendorf wieder entzogen wurden. Erst 1837 wird Glesch selbständige Pfarre.

Am 5. April 1815 kam das Erftland nach 20 Jahren französischer Besetzung unter preußische Herrschaft und König Friedrich Wilhelm der III. von Preußen übernahm damit das Gebiet von Bingen bis Emmerich, eine zusammengewürfelte Landesmasse, die vor 1794 wenig Verbindendes gehabt hatte. Bei der Einführung der preußischen Verwaltung im Rheinland wurden die Grundzüge altpreußischer Verwaltungsorganisation zunächst weitgehend angewandt. In den altpreußischen Gebieten lag die Ausübung der Hoheitsrechte in Händen des Grundbesitzenden, in den "Kreisen" ansässigen Adels. Der Landrat war Vertreter der Krone im Kreise und zugleich Vertrauensmann der "Stände" unter denen wiederum der Adel eine beherrschende Stellung einnahmen. Dieser Doppelstellung des Landrates entsprach auch die Art seiner Berufung in das Amt. Die Stände hatten das Vorschlagsrecht, während der König den Landrat berief. Bei der Einteilung des Regierungsbezirks Köln in Kreise wurde aus den vormaligen französischen Kantonen Kerpen und Bergheim der Kreis Bergheim gebildet. ["nur zwei Mairien des ehemaligen Kantons Kerpen, Rath und Ober-Bolheim, wurden dem Kreise Düren zugewiesen].

Doch wie sah das einfache Leben zu Beginn des vergangenen Jahrhunderts hier auf dem Lande aus? Die Jahre 1816/1817 sind Notjahre im Kreise Bergheim gewesen. Aus den wenigen erhaltenen handschriftlichen Quellen von einzelnen Höfen wird mehrfach über Mißernten bedingt durch Mäuse und Schneckenplagen sowie über schlechtes Saatgut und Auswinterung Klage geführt. Die größeren Höfe konnten solch schlechte Jahre überstehen. Da sie in patriarchalischem System für ihre Knechte, Tagelöhner und Handwerker sorgten, blieben auch diese von größter Not verschont. Aber selbst in den Dörfern der fruchtbaren Ackerebene herrschte gelegentlich in den landarmen Familien derartige Not, daß sie aus Mangel an Geld und Brot Hunger litten.

Die größeren Höfe produzierten nach dem System des Patriarchalbetriebes zunächst für den Eigenbedarf der Familie und des Personals.Daraus ergab sich die Notwendigkeit einer umfangreichen Vorratshaltung. Nur die Überschüsse wurden an den Markt verkauft. Getreide, wobei Roggen überwog - die Erftländer waren vorwiegend Schwarzbrotesser - Klee, Raps und gewisse Gemüsesorten bildeten den Ertrag. Überschüssiges Brotgetreide wurde meist nach Neuß und Hafer nach Köln verkauft. Der Rapssamen wurde zur Eigenversorgung des Hofes mit Leucht- und Schmieröl sowie mit Rübkuchen (Viehfutter) zur Ölmühle nach Glesch gefahren und aufbereitet. Der Überschuß wanderte nach Neuß. Zu Beginn der preußischen Zeit war die bäuerliche Wirtschaft noch gänzlich arbeitsintensiv. Dabei bleiben die Erträge selbst in guten Erntejahren als Folge der von der alten Tradition eingeengten Wirtschaftsformen und der mangelhaften Düngung trotz der guten Böden recht bescheiden. Als dann mit den 30er Jahren im Rheinland die Industrialisierung begann und die Bevölkerungsziffern stiegen, ergab sich für die erftländischen Bauern ein größerer Absatzmarkt für ihre Produkte. Dabei erleichterte der am 6. September 1841 eröffnete Streckenteil der Eisenbahn Köln-Aachen, die den Kreis durchquerte, die Verbindung vom Erzeuger zum Verbraucher ernorm.

Eine wesentliche Maßnahme zur Nutzung brachliegenden Landes war die großzügige Melioration der Erft. Johannes Nepomuk von Schwerz schilderte 1836 die Erftaue als "eine wilde urwüchsige Flußlandschaft, in der die Wiesen versauern und versumpfen". Wurden anfangs nur die Wiesenerträgnisse gehoben, so kam es gegen Endes des vergangenen Jahrhunderts zu einer wesentlich besseren Futterproduktion.

Um das Jahr 1860 läßt sich ein deuticher Wendepunkt für die Entwicklung des Erftlandes festsetzen und zwar treten Sand- und Kiesgruben und Bergwerke (d. h. Kleinstunternehmungen des Braunkohlenabbaues) auf. Der industrielle Aufschwung der 70er Jahre läßt die Löhne in diesem Erwerbszweig höhersteigen, und es zeichnet sich bereits eine Abwanderung der Arbeitskräfte von der Landwirtschaft zur Industrie ab. Trotzdem war der Kreis Bergheim bis in das letzte Drittel des vergangenen Jahrhunderts eine Landschaft der Bauern, von einer Braunkohlenindustrie konnte noch nicht die Rede sein, es war die sogenannte "Klüttenzeit". Auch die Zukkerfabrikation war unmittelbar an die bäuerliche Wirtschaft gebunden.

Waren die über das Kreisgebiet gestreuten alten Einzelhöfe durchweg Großhöfe, zumeist aus ehemaligem Adel und Kirchenbesitz oder bedeutendere Höfe innerhalb von Ortschaften, alle aber bestrebt, das Besitztum in einer Hand zu vereinigen, so wurde seit der französischen Herrschaft von der nun möglichen Freiteilbarkeit des Landes, häufig bei Mittel- und Kleinbetrieben gebrauch gemacht. So wurde im Jahre 1819 in Köln der Glescher Stamshof mit 145 Morgen Land zum Verkauf angeboten. Im Jahre 1820 folgten der Frohnhof und der Karthäuserhof zu Glesch.

Den Bewohnern des Erftlandes konnte eine gesunde, realistische Einstellung zu den Gegebenheiten des Lebens und der Politik nachgesagt werden; in einem Bericht heißt es unter: "Sittliche Zustände: In dieser Hinsicht läßt sich von den Bewohnern des Kreises Bergheim nur Rühmliches melden. Sie sind durchgehend fleißige Ackerbauern, friedliebend und weder zu Exzessen und Schwelgereien geneigt, noch prozeßsüchtig oder einer ungeeigneten Opposition gegen die Maßregeln der Verwaltungsbehörden sich hingebend" - So berichtete der Regierungs- und Departementsrat Freiherr von Munch-Bellinghausen 1838 nach einer Revision der Verwaltungen im Kreis Bergheim an den Kölner Regierungspräsidenten. Die wirtschaftlichen Verhältnisse hielt der Regierungsrat für gut. Sie waren noch ganz von der Landwirtschaft bestimmt. Nur Türnich und "einige Orte in der Nähe des Vorgebirges" bildeten eine Ausnahme. Dort, so schrieb von Munch-Bellinghausen, leben die Leute von dürftigem Erwerb in den nahegelegenen Braubkohlengruben.

Die Braunkohle

Nichts kündigte an, daß die braune Umbraerde, deren Vorkommen schon im Mittelalter bekannt war, als Braunkohle einmal zum Schicksal des ganzen Landes werden sollte. Die schwärzliche Masse, die Quellen und Bäche braun färbte, die in geringer Tiefe unter Schottern und Lehm lag und deren Mächtigkeit an den Hängen unter Verwitterungsschutt offenbar wurde, konnte als brennbare Kohle erst im 18. Jahrhundert in bescheidenem Maße, dann aber in der Folgezeit gegen Ende des 19. Jahrhunderts mehr und mehr abgetragen werden. Dieser abgetragene Torf, der getrocknet und in Kloben (Klütten) gepreßt wurde, wanderte so in die Öfen.

Bis zur französischen Zeit konnte die nicht regale (hoheitsrechtlich verwertbare) Braunkohle oder der "Torf" von den Eignern oder Grundstückspächtern ebenso wie Ton, Sand und Kies ausgehoben werden. Erst als diese "Umbraerde" auf Betreiben des Präfekten Ladoncette zum "regalen Mineral" ernannt worden war, wurde ein Rechtszustand geschaffen, der die Bergwerksteuer auch auf die "Klüttenkaulen" anwenden ließ. In der ersten Bergwerksteuerrolle für das Jahr 1812 sind bereits zehn Grubeneigentümer aus dem heutigen Kreisgebiet enthalten. Dieses französische Bergrecht blieb als Rheinisches Bergrecht bis zum Jahr 1865 gültig. Infolge der primitiven Abbauweise waren noch um 1800 die Gruben alle sehr klein und kurzlebig. Sie hatten auch keine festen Namen, sondern wurden oft nach dem jeweiligen Eigentümer oder Pächter benannt. Meist arbeiteten in jeder Grube nur zwei bis vier Mann, in der größten etwa 20 Mann.

War der Beginn der Braunkohlenförderung mühsam und nur wenig lohnend, so gelangte der Bergbau bei fortschreitender Entfaltung, der Technik in jene Formen des Großbetriebs, die ihn in konsequenter Entwickiung zu dem heutigen Riesenunternehmen haben wachsen lassen. Im Augenblick und die Gegenwart ist verglichen mit der langen Zeit der Vergangenheit, wo die Bodenschätze noch unangetastet waren und der kurzen Zeit des noch rentablen möglichen Abbaus ein Augenblick - stehen hier alle Grundlagen des Lebens, alle menschlichen Tätigkeiten und jegliche öffentliche Arbeit im Banne der Braunkohle und ihres Abbaus. In wiederum 50 Jahren wird diese Aktivität erloschen sein, vergangen wie ein Spuk.

Gerade dieser Wandel, diese Landschaft im Umbruch macht den historischen Rückblick, das Besinnen auf das Gestern, für die Aufgaben von Heute und Morgen notwendig.

Lassen Sie mich zum Schluß kommen. Die Arbeit der Geschichtsforschung vergleicht sich am besten mit der Arbeit an der Wiederherstellung eines alten Mosaiks. Da sind einzelne Steine die man klar erkennen und bestimmen kann. In den Zwischenräumen aber fehlt es an solcher Gewißheit. Die Rekonstruktion kann da nur Schlüsse ziehen, Linien annehmen, wie es gewesen sein könnte. So ergeben die schriftlichen Überlieferungen, die Glesch betreffen kein vollständiges abgerundetes Werk, dessen Einzelheiten deutlich erkennbar sind, es sind Bruchstücke, zufällige Überbleibsel, die sich in den größeren Rahmen der erftländischen Geschichte gebettet, deuten lassen und auch für den Laien an Sinn gewinnen.

Der Inhalt der Urkunden und Akten ist vielfältig, Schenkungen und Belehnungen, Verkaufsakten und Kirchenprotokolle, Verfügungen über Hand- und Spanndienste und Zinsreklamationen werfen Schlaglichter auf jeweils ein kleines Gebiet. Diese Lückenhaftigkeit verbietet hier sicheres Wissen durch bloße Vermutung oder blühende Phantasie zu ersetzen.