Festvortrag aus
Anlaß der 1000 Jahrfeier (1974) von
Landesoberverwaltungsrat Dr. Kurt Schmitz, der im Auftrag
der Gemeinde die Geschichte von Glesch wie folgt
zusammenfaßte: Im Sommer des Jahres 973 erscheinen
zwei Urkunden, die den Erzbischof Gero von Köln und
seine Interessen an bestimmten Stellen des Rheinlandes
betreffen. Der eine, zum ersten Mal beurkundete Ort ist
Leigelingon, Leichlingen, meine Heimatstadt, die am 11.
August ihre 1000jährige Geschichte feierte und der
andere Glessike, Glesch, ihre l000jährige Gemeinde. Der
Anlaß zu diesen beiden Beurkundungen war
grundverschieden. Während in Leichlingen ein Kloster zu
Ehren des hl. Märtyrers Vitus erbaut werden sollte,
(daß es zu diesem Bau doch nicht kam, ergab sich aus dem
plötzlichen unerklärlichen Tod eines Sendboten des
Kaisers in Leichlingen, der dem hohen geistlichen Herrn
Gero dann doch den Ort ungeeignet erscheinen ließ), so
stellte Glesch, damals Glessike, eine Ortschaft an der
Peripherie des erzbischöflichen Wildbannes zwischen
Aachen und Köln dar, Die letztgenannte Urkunde befindet
sich im Hauptstaatsarchiv Düsseldorf.
Die Geschichte von Glesch geht weit über
das Datum dieser Urkunde hinaus. Schon der Name verweist
in vorfränkische Zeit. Aus vorchristlicher Zeit wurden
Klingen, Scheibenkratzer und Beschläge im Raume Glesch
gefunden, Werkzeugüberbleibsel, die von den Bewohnern
der jüngeren Steinzeit benutzt worden sind. Ein
Steinsarkophag, Ziegel-, Scherben-, Säulenreste und
Trümmerstreuungen geben Zeugnis für eine römische
Besiedlung. Weitere wertvolle Funde aus dieser Zeit
werden zwar in der handschriftlichen Chronik von J.
Thelen erwähnt, z.B. Münzen und Henkelkrüge und ein
Matronenstein. Sie sollen jedoch seit dem Kriege
verschollen sein.
Der Lößboden des Erftraumes war in Bezug
auf seine Nutzbarkeit für eine frühe Landwirtschaft
sehr geeignet. Er war leicht zu bearbeiten, sehr
fruchtbar und spielte schon im Neolitikum als alter
Ackerboden eine große Rolle. Die Wasserversorgung wurde
durch die Erft und eine Reihe von zufließenden Bächen
gewährleistet. Lichte Laubwälder waren vorherrschend.
Diese drei Faktoren Ackerbaumöglichkeit,
Wasser und Wald waren die Voraussetzung für einen selbst
in der Vor- und Frühgeschichte gleichbleibend dicht
besiedelten Lebensraum.
In dieser Zeit standen die Menschen noch
relativ passiv den Naturgegebenheiten gegenüber. Sie
rodeten ein wenig Ackerland, hielten Haustiere, die in
den Wäldern und Lichtungen weideten, aber dies alles in
geringem Umfang. Während der römischen Periode finden
dann bedeutende Eingriffe in die Landschaft statt. Große
Waldflächen wurden gerodet und es entstand eine offene
Ackerlandschaft. Dazu kam der erhöhte Bedarf an Bauholz
für die Dachkonstruktionen der Häuser oder für Wege-
und Brückenbauten und mit wachsender Zivilisation ein
steigender Bedarf an Feuerholz für hypokaustierte Wohn-
und Baderäume. Eine kräftige Entwicklung einer
eigenständigen Kultur hat in dieser Gegend unter
germanischer Vorherrschaft nicht stattgefunden, geriet
doch das Land sofort unter den nivellierenden Einfluß
der provinzialrömischen Kultur. Bis zu Beginn des 5.
Jahrhunderts war das Gebiet Teil des römischen
Imperiums. Das Kreisgebiet zeigt für etwa 400 Jahre das
Bild einer rein ländlichen Besiedlung mit entsprechender
Villenkultur, d. h. die Villen waren landwirtschaftliche
Betriebe verschiedener Größe. Sie lieferten
hauptsächlich Getreide an die Armee und die
"Großstadt" Köln. Die Bewohner des platten
Landes waren keine Stadtrömer und kaum Italiker, zum
größten Teil waren es Germanen ubischer Herkunft, dazu
kamen Freigelassene und Veteranen, Händler und Sklaven
aus allen Teilen des Imperiums.
In fränkischer
Zeit wurden
Gehöfte und Heiligtümer durch eine große Anzahl von
Feldwegen miteinander verbunden. Als römische
Fernstraße ist die Strecke Köln - Thorr - Jülich -
Barai sicher belegt [vielleicht auch : Trier - Zülpich -
Glesch - Neuß und Oberempt - Kierdorf - Glesch - Köln].
Unter den Grabfunden des Kreisgebiets ragt
hier der reiche Glescher Bronzefund mit drei
Metallgefäßen hervor. Mit dem Jahre 259 begannen dann
die Frankeneinfälle. Die Funde der fränkischen Zeit
bestehen im Kreise Bergheim ausschließlich aus
Grabfunden, wobei der bedeutendste Fund das Morkener
Fürstengrab darstellt. Fränkische Adlige wie "der
Fürst von Morken" stellten das Führungspotential
der Merowingischen Herrscher dar. Ein straffes stehendes
Heer gab es nicht. Bischöfe und Gaufürsten verfügten
über militärische Bereitschaften, die sie
gegebenenfalls, d. h.weniger im Verteidigungsfall, als
bei einem lohnenden Beutezug einsetzen konnten. Dabei
spielt die Raublust der Franken eine grundlegende Rolle.
Von geringer Disziplin, stets zu Meutereien aufgelegt,
ohne raffinierte Schlachttaktik vertrauten sie allein auf
die Gewalt ihres geschlossenen Ansturmes. Die Lust am
Beutemachen übertraf die Kriegskunst bei weitem. Bei der
fränkischen Landnahme wurden die römischen Villen fast
alle zerstört, da zur urtümlichen Form der fränkischen
Kriegsführung das Prinzip der totalen Vernichtung aller
am Kampfort vorgefundenen Immobilien gehörte. So
verödeten die römischen landwirtschaftlichen Betriebe
und Wälder wuchsen darüber. Alles wurde reorganisiert
und die neuen Herren besetzten vor allem fruchtbare
Ufergebiete und leicht nutzbare Böden. Diese
fränkisch-karolingischen Siedlungen auf dem Lande waren
keine Dörfer mit mehreren gleichwertigen Höfen, sondern
Hofsiedlungen oder Weiler, die aus einem oder mehreren
umzäunten Gehöftgruppen bestanden. Zum Siedlungstyp der
Frankenzeit liegen nur wenige archäologische
Anhaltspunkte vor. Der Wohnkomfort dieser zwar solide
gebauten und fugendichten Holzhäuser war, verglichen mit
den aufwendigen Steinbauten der Römer bescheiden. Die
sogenannten Siedlungskammern der fränkischen Zeit decken
sich hierbei mit den in spätkarolingischer und
hochmittelalterlicher Zeit bezeugten Gauen.
In einer zweiten für die Gemeinde Glesch
bedeutsamen Urkunde wird der Name Glessike zwar nicht
ausdrücklich erwähnt, doch liegt der Ort in den
größeren angeführten Gauen im Erftgebiet. Es handelt
sich hierbei um die einzige erhaltene Traditionsurkunde
des Stiftes Essen von König Zwentibold aus dem Jahre
898. Der Karolinger Zwentibold war Unterkönig von
Lothringen 985-900. Er hatte zum Pfingstfest des Jahres
898 die Gastfreundschaft der Äbtissin Wickburg im
Essener Damenstift genossen und schenkte auf Anraten
seines Schwiegervaters, des Herzogs Otto von Sachsen, dem
Stift mehrere Güter an der Erft. Ein Teil dieses reichen
Besitzes ging durch Auslieferung an den Erzbischof von
Köln in einem Vertrag aus dem Jahre 1027 verloren. In
späteren Quellen sind nur noch einige Höfe im Besitz
des Damenstiftes, unter ihnen auch Glesch, zu finden.
Hatte der karolingische Fiskus im Erftland
das Erbe des römischen Staates angetreten und wurde das
Land nach einer streng hierarchisch gegliederten
königlichen Grundherrschaft regiert, so unterstanden
gewisse Bezirke durch Schenkung und Belehnung, zu ihnen
auch Glesch gehörend, der Macht kirchlicher Grundherren
oder in anderem Falle dem Adel. Die Aufgabe der
ländlichen Güter war es, die königliche Haushaltung
oder andererseits den Bedarf der kirchichen wie adigen
Obrigkeit zu versorgen.
Da die Christianisierung der Bevölkerung
auch ein großes politisches Anliegen der Könige war,
erfreuten sich die Missionare des tatkräftigen
Wohlwollens der Karolinger-Hausmeier und manches
Patrozinium läßt auf eine Gründung in diesem Zeitraum
schließen. Das Kosmas und Damian-Patrozinium von Glesch
bezeugt hier die Verbundenheit mit dem Essener Stift.
In den folgenden Jahrhunderten ging die
Macht des Königs im Erftgebiet mehr und mehr auf die
Reichsaristokratie, d. h. auf einige wenige Familien des
Adels die Nobiles über (Glesch untersteht zu dieser Zeit
jedoch noch der Kirche). An der Spitze des rheinischen
Hochadels rangiert das Haus der Pfalzgrafen, die Grafen
von Hochstaden und der Grafen von Are. So waren
beträchtliche Teile des alten Reichsgutes nach der
Jahrtausendwende in den Händen dieser Familien. Die
großen politischen Kräfte Köln und Jülich die später
das Geschehen an Rhein und Erft bestimmten, traten
zunächst noch nicht in Erscheinung; sie faßten hier im
Raume erst seit dem 13. Jahrhundert durch Erbschaft, Kauf
und Verpfändung Fuß. Das Aussterben der meisten
hochadeligen Geschlechter ebnete ihnen dafür die Bahn.
Um die Zeit, da der alte Hochadel allmählich von der
Bühne des Geschehens abtrat, entstand ein neuer Adel.
Diese ritterlichen Familien (z. B. Harff-Bohlendorf) sind
im Dienste des älteren Hochadels und der reichen
Klöster groß geworden. Durch Belehnungen mehrerer
Herren, gelangten manche von ihnen zu beträchtlichem
Reichtum. Mit dem Entstehen der Territorien bildeten sie
den Stamm der Beamten und Offiziere. Ihre Wohnsitze sind
es, die als Wasserburgen das Bild der Erftlandschaft noch
heute mitbestimmen.
Der Besitz des Essener Klosters an der Erft
war einer der größten zusammenhängenden
Reichsgutkomplexe, hier herrschte die alte Organisation
der Fronhofverfassung.
Obwohl die Schenkungsurkunde König
Zwentibolds Glesch und Paffendorf nicht nennt, hat man
immer angenommen, auch diese beiden Orte seien damals an
Essen gekommen. Wobei Paffendorf vorübergehend zu St.
Maximin Trier gehörte. Ein Weistum des 15. Jahrhunderts
gibt ausführliche Kunde über Glesch und Paffendorf. Die
Fischereirechte an der Erft werden erläutert und das
Stift Essen hat die beiden Höfe im Laufe der Zeit noch
insofern aus dem übrigen Besitz hervorgehoben, als die
Abgaben der abhängigen Höfe, ganz gleich, wo sie lagen,
an Glesch und Paffendorf abgeführt werden mußten. Die
Schultheißen dieser beiden Höfe hatten dem Stift über
große Einnahmen abzurechnen. Dieser Posten war daher
sehr begehrt. Im Jahre 1287 mußte das Stift große
Zugeständnisse machen, um Johann von Reifferscheid, Herr
zu Bedburg, seine Schwester Mathilde und deren Erben zum
Verzicht auf das Erbschultheißenamt zu bewegen. Es
wurden ihnen sämtliche Pachtrückstände erlassen, was
fast einem Rückkauf gleichkam. Die Leitung der
landwirtschaftlichen Gehöfte lag in den Händen eines
Dekans oder Baumeisters. Um dem Ärger mit den
einheimischen Adeligen aus dem Wege zu gehen, bestellten
die Essener Damen einen Kleriker ihres Kapitels zum
Schultheiß und Pfarrer von Paffendorf. Im Jahre 1329
wurde durch den Bischof Adolf von Lüttich bestimmt, daß
künftig alle Pfarrer aus dem Essener Kanoniker Kapitel
genommen werden mußten. Seit dieser Zeit finden wir
Essener Kanoniker, die sowohl die Pfarrstelle als auch
das Schultheißenamt inne haben. Ein Wulfram, Schultheiß
und Pastor wird uns in einem Dokument von 1338 in dieser
Doppelfunktion genannt. Auf die Dauer war aber auch auf
die geistlichen Schultheißen kein Verlaß. Deshalb
wurden gegen Ende des 14. Jahrhunderts die Höfe und die
einkommenden Gefälle auf Zeit verpachtet. Bis zur Mitte
des 15. Jahrhunderts wurde die Pacht in Naturalien
bezahlt, wozu noch als Pflicht die Fahrdienste kamen,
später dann erst in Geld.
Der Hof Glesch mit 35 Unterhöfen am Ort und
29 außerhalb sowie einer Mühle, hatte die gleiche
Verfassung wie der Hof Paffendorf mit dem er eng
verbunden war.
An der Spitze der Hofverbände stand der
Schultheiß, die wirtschaftliche Leitung und später die
Einhebung überwachte bei beiden Höfen ein Dekan. Diese
Trennung in Wirtschafts- und Verwaltungsbeamte stammt aus
alter Zeit. Die Dekane oder Baumeister waren die Leiter
der grundherrlichen Eigenwirtschaft! Nach Aufgabe der
Eigenwirtschaft wurde das Salland in einzelnen Teilen von
15 Morgen und einer Wiese von etwa ½ Morgen zur
Intensivierung der Bewirtschaftung an die einzelnen
Bauern als Zinsgüter ausgegeben; sie wurden als
"bonum integrum" bezeichnet. Die Leistungen des
Fronhofes sind auf sie übertragen worden. Zu St. Andreas
zahlten sie je 6 Denare und einen Quadranten, zu
Epiphanie 2 Malter Gerste und 1 Malter Hafer kölnischer
Maße, zu St. Vitus 7 1/2 Denare in dem einen, 15 Denare
im anderen Jahr und zu St. Remigius 4 Malter Weizen. Die
Leistungen der Höfe in Glesch waren geringer. Die Höfe
außerhalb von Paffendorf und Glesch sind von solchen
Verpflichtungen befreit und nur die Zahlung der
Geldzinsen schuldig gewesen. Sie waren dem Hofverband nur
lose angeschlossen und sind nicht aus dem Salland
hervorgegangen. Die gesamten Einkünfte betrugen
jährlich: von Paffendorf 6 Mark 8 Schillinge 10 Denare
in einem und 1 Mark 9 Schillinge 3 Denare in dem anderen
Jahr, 144 Malter Weizen, 72 Malter Gerste und 35 Malter
Hafer; von Glesch 4 Mark 4 Schillinge 6 Denare, 72 Malter
11 Sümmer Weizen und 8 Malter 9 Sümmer Gerste, wobei
aber der Geldzins der Güter außerhalb des Ortes
unberücksichtigt bleibt. Das Weistum des 15.
Jahrhunderts gibt die einzelnen Abgabetermine genau an.
Zum Paffendorfer Hofverband gehörten fünf Mühlen; eine
zu Kirdorf, eine zu Glesch, eine zu Paffendorf, eine zu
Haldenich, die im 15. Jahrhundert mit der von Paffendorf
vereinigt wurde.
Im Laufe des Mittelalters verlor das
Königtum immer mehr an staatlicher Gewalt, das Erbe
traten die Territorialherren an, d. h. einerseits die
Erzbischöfe von Köln, andererseits die Grafen von
Jülich. Keiner der beiden Landesherren hat in der
Frühzeit größeren Besitz an der Erft gehabt. Auf die
Hoheit des fränkischen Staates über Forsten und
Straßen lassen sich jedoch wichtige Rechte der Grafen
von Jülich zurückführen. Seit dem Ende des 14.
Jahrhunderts ließen sich die Jülicher von den
Pfalzgrafen die Hoheitsrechte über Forste und Straßen
zwischen Maas und Rhein als Lehen verbriefen. Zwar
besaßen die Kölner Erzbischöfe weit ältere Rechte,
wie aus dem Diplom Ottos II. in dem auch Glesch als
Grenzort erwähnt wird, hervorgeht; doch konnten sie
diese auf Dauer nicht behaupten. Nach der Schlacht bei
Worringen, in der der lange schwelende Konflikt zwischen
Köln und Jülich ausgetragen wurde, unter dem das
Erftland stark in Mitleidenschaft gezogen wurde, waren
die Machtverhältnisse am Niederrhein grundlegend
geändert. Mit der Vorherrschaft Kölns war es für alle
Zeiten vorbei. Nur das Geleitrecht von Bergheim bis Köln
konnten die Erzbischöfe unter großen Schwierigkeiten
schließlich behaupten, obwohl die Jülicher von den
Pfalzgrafen auch damit belehnt worden waren. Die
Ortsgrenze des Jülicher Herrschaftsbereiches wurde
dagegen auf Dauer bestimmt von den Vogteirechten, welche
die Pfalzgrafen zu Lehen gaben. Aus den Vogteien Bergheim
- Paffendorf (mit Glesch) und Türnich entstanden die
Jülicher Gerichte: Bergheimer Dorf und Paffendorf (mit
Glesch) sowie die Unterherrschaft Türnich. Die Grundlage
dieser Bezirke bildete der Besitz der Reichsklöster
Kornelimünster und Essen. Da die Äbte als weltliche
Richter nicht in Frage kamen, bedurften sie für die
Hochgerichtsbarkeit weltlicher Vögte. Beide Klöster
konnten die Vogtei der Pfalzgrafen und ihre Nachfolge
nicht abschütteln und sie mußten sich daher auch damit
abfinden, daß aus den Vögten schließlich Landesherren
wurden.
Hier hinein gehört eine Urkunde vom 15.
August 1344 in der Markgraf Wilhelm von Jülich befiehlt,
auf Grund seines Vogtbriefes sämtliche Essener
Stiftshöfe in seinem Lande (auch dem Oberhof
-Paffendorf) bei etwa entstehenden Streitigkeiten wegen
Erbschaft oder Abgaben sich an das Obergericht in Essen
zu wenden.
In einer am 10. Juli 1436 ausgestellten
Urkunde versetzen Herzog Adolf von Jülich-Berg und
Herzogin Elisabeth ihr Drittel an den Dörfern Glesch und
Paffendorf an Gumbrecht von Neuenahr, Vogt zu Köln,
Herrn zu Alpen. Nach dem Tode des Herzog Adolf erscheint
am 29. September 1450 ein Revers des Gumbrecht, der die
Verschreibung auf die Dörfer Paffendorf und Glesch, die
ihm weiland Herzog Adolf erteilt und Herzog Gerhard
erneuert hat, für die Lebenszeit der Elisabeth von
Bayern, Witwe Herzogs Adolfs, die mit den Dörfern
bewittumt ist, unwirksam bleiben soll.
Für die eigentümliche Verteilung einzelner
Gerichte auf die Ämter Bergheim und Kaster sind
dynastische Gegebenheiten verantwortlich. Die Söhne des
1278 in Aachen gefallenen Grafen Wilhelm von Jülich
teilten das Erbe des Vaters. Gerhard der dritte Sohn
erhielt Kaster zusammen mit der Vogtei Paffendorf. Das
aus der Vogtei entstandene Paffendorf blieb dabei für
alle Zeiten dem Amt Kaster zugeordnet.
Verlassen wir das Mittelalter und wenden wir
uns der Neuzeit zu, an deren Anfang die Reformation des
16. Jahrhunderts steht.
Die Reformation im Raume Glesch
Wie sah es nun im Umkreis von Glesch zur
Zeit der Reformation aus? Bedburg und die zu ihm
gehörigen Pfarreien haben einmal dem evangelischen
Gottesdienst angehört. Wenigstens für die Spätzeit der
Herrschaft der Grafen von Neuenahr ist dies so allgemein
mit Sicherheit zu sagen. Aber die Entwicklung bis dahin
liegt für uns vielfach im Dunkeln. Christliche Kirchen
im Kreise Bergheim waren zu Beginn der fränkischen
Landnahme noch nicht vorhanden. Auf dem Lande herrschte
hier in spätfränkischer und frühmittelalterlicher Zeit
das Eigenkirchenwesen, d. h. die Kirche wurde von einem
Grundherren auf seinem Boden gebaut und unterstand ihm
daher als sein Eigentum. Seit 10. Jahrhundert mit dem
Schwerpunkt offenbar im 11. Jahrhundert gingen die
adligen Grundherren dazu über, sich einen festen Sitz in
Form einer Motte anzulegen (Holzbau). Ein
zusammenhängendes Bild des geschichtlichen Verlaufs der
Reformation kann nicht nachgezeichnet werden. Der Grund
liegt darin, daß die zeitgenössischen Quellen-Urkunden
und Akten aus dieser Zeit nur in geringer Zahl und ganz
lückenhaft überliefert sind. Die Pfarrarchive selbst
sind kaum Fundgruben, sich über das kirchliche Leben
damals zu informieren. Dies ist kein Zufall. Galt doch im
später wiedererstandenen katholischen Kirchenleben diese
Zeit als eine Zeit des Glaubensabfalls. So konnte
keinerlei Interesse daran bestehen, darüber eingehende
Kenntnisse aufzubewahren. Und durch die Wirren seit dem
Kurkölnischen Krieg von 1583 bis zum Ende des
Dreißigjährigen Krieges ist auch die Überlieferung der
staatlichen Verwaltungsakten im Kurfürstentum Köln im
allgemeinen und der Herrschaft Bedburg im besonderen so
stark dezimiert, daß sie nur wenig für den
geschichtlichen Rahmen hergeben. Trotz der Dürftigkeit
der Quellen darf als gewiß angenommen werden, daß der
Protestantismus um 1543 im kirchlichen Leben der
Grafschaft stärker hervorgetreten ist. Die Ausmaße aber
sind nur sehr schwer abzuschätzen. Es gilt ebenfalls als
sicher, daß bei Durchführung des kaiserlichen Interims
von 1548 in der Erzdiözese und in den niederrheinischen
Ländern [in den Jahren 1545-1550] der katholische
Gottesdienst überall wiederhergestellt und noch
evangelisch amtierende Geistliche von ihren Stellen
entfernt worden sind.
Für das Verhältnis der Konfessionen in
Deutschland ist der Augsburger Religionsfriede von 1555,
der die Entscheidung über die Konfession den einzelnen
Landesherren anheim gab, grundlegend geworden.
In den Jahren zwischen 1556-1567 - eine
Zeit, welche die Regierung dreier Kölner Erzbischöfe
umfaßte - wurde jedoch wenig gegen den Protestantismus
unternommen. Dies begünstigte die protestantischen
Kräfte im Lande und ließ sie wiederum zahlenmäßig
anschwellen. In manchen kleineren Herrschaften überwog
die Zahl der evangelischen Gläubigen die der
katholischen. Der bedeutendste Komplex dieser Art ist der
neuenahrsche Besitz unter dem Grafen Hermann, der
zugleich auch Herr von Bedburg ist.
Während in Kurköln allgemein mit dem
Amtsantritt des Erzbischofs und Kurfürsten Salentin von
lsenburg (1567-1577) und in Jülich mit dem spanischen
Druck auf die Regierung seit 1567/68 die Gegenreformation
beginnt, bleiben diese kleinen Länder unter ihren
Regenten zunächst davon unberührt.
Mit der Bedburger Synode vom 3. und 4. Juli
1571 tritt die Stadt zum ersten Male als Stützpunkt des
gesamten Protestantismus zwischen Maas und Rhein hervor.
Graf Hermann von Neuenahr starb im Jahre 1578 kinderlos
und somit wurde das weitere Schicksal Bedburgs und seines
weitgehend evangelischen Landeskirchentums ungewiß. Es
kam zu einer Erbauseinandersetzung zwischen dem
evangelischen Adolf von Neuenahr aus der Alpener Linie
und dem katholischen Grafen Werner von Salm-Reifferscheid
und Herrn von Dyck. Der erstere wurde vom Kölner
Kurfürsten Gebhard Truchsess von Waldburg und von der
Niederlanden, der letztere von Spanisch-Österreichischen
Interessen gestützt.
Zunächst bleibt Graf Adolf unangefochtener
Herr von Bedburg und treibt die reformierte
Kirchenpolitik seines Vorgängers in weit krasserem Maße
vorwärts, doch der kleinen Bedburger Landeskirche wurde
dann der kölnische Krieg von 1573, der durch den
Übertritt des Kurfürsten Gebhard Truchsess von Waldburg
zum Protestantismus ausgelöst wurde, zum Schicksal. Mit
der Parteinahme der Niederlande, der Nassauer und der
Kurpfalz für ihn und der spanisch-bayrischen
Unterstützung für seinen erzbischöflichen
Gegenkandidaten Ernst von Bayern gerät Bedburg und sein
Umland in die Auseinandersetzung der Großmächte. Die
Stadt wurde im Frühjahr 1584 von bayrischen Truppen
besetzt. Das Jahr 1584 wurde das Jahr der Beendigung des
evangelischen Gottesdienstes und der Entfernung aller
evangelischen Pfarrer aus ihrem Amt sowie der
Wiederaufrichtung des katholischen Gottesdienstes.
Die Masse der Bedburger Flüchtlinge begab
sich nach Aachen, jener Stadt, die zu dieser Zeit den
Reformierten Duldung und öffentlichen Gottesdienst bot.
Der Wiederaufbau katholischen Lebens selbst wurde von den
Kölner Augustinern geleitet; wobei das katholische
Kirchenleben nun, wie zu seiner Zeit das evangelische
seinen stärksten Rückhalt in seiner weltlichen
Obrigkeit fand.
Der Raum um Glesch im 16.
Jahrhundert
Drei Kriege waren es, die im 16. Jahrhundert
das Erftland mehr oder weniger heftig in Mitleidenschaft
zogen.
1) Zunächst d. h. in der ersten Hälfte des
Jahrhunderts führte Herzog Wilhelm V., auch der Reiche
genannt, mit Kaiser Karl V.einen Kampf um en Besitz von
Geldern. Zerstörungen und grausame Plünderungen auch im
Gebiet von Kaster und Bergheim sind bzeugt (Wilhelm
unterlag).
2) Gebhard Truchsess von Waldburg,
Erzbischof zu Köln, verkündete 1582 seinen Übertritt
zum Protestantismus. Der Papst setzte ihn ab und mit
Hilfe bayrischer Truppen wurde der vom Domkapitel
gewählte Ernst von Bayern in sein Kurfürstentum
eingführt. Gebhard gab aber seine Stellung nicht kampflo
auf. Der nun folgende Krieg wurde nicht mehr mit
ritterlichen Lehnsleuten und bäuerlichem Aufgebot
geführt, sondern die Heere der beiden Parteien bestanden
nur noch aus Söldnern und die Landknechte lebten von
dem, was das Land bot, und dies wurde meist mit Gewalt
requiriert. Ein Zentrum der truchseßschen Macht war
Bedburg und Glesch, das erst nach schweren Kämpfen 1584
von den Bayern für den Erzbischof gewonnen wurde.
3) Der Kölner Krieg verquickte sich mit dem
Freiheitskampf der Niederländer gegen Spanien. Gegen den
panischen Stützpunkt Kerpen waren schon 1578/79 Truppen
der Generalstaaten angerückt und hatten die Burg
erobert. Stand das Kriegsglück zunächst bei den
Niederländern, so fiel die Festung 1579 an die Spanier.
Die Anzahl der Exekutierten auf beiden Seiten war groß.
Die beiden Befehlshaber wurden nebst einer stattlichen
Anzahl ihrer Mannen bei der jeweiligen Übernahme der
Burg gehenkt.
Städte und Burgen des platten Landes wurden
so um ihren ursprünglichen Zweck gebracht. Sie boten den
Einwohnern des Landes keinen Schutz mehr; sondern einer
grausamen und zügellosen Soldateska Unterschlupf und
wurden zu einer dauernden Bedrohung.
In Glesch tauchen zu dieser Zeit die Namen
von Harff (1562) und von dem Bongart (1597) als Besitzer
von Höfen auf.
1577 ging der Stamshof von der Familie von
Stam an die von Lülsdorf über. Besagter Stamshof kam
dann 1726 an die Abtei Altenberg, die um 1777-82 hier
Neubauten errichtete.
Wir springen in die Mitte des 17.
Jahrhunderts
Eine im Jahre 1651 ausgeschriebene Urkunde,
in der Pfalzgraf Wolfgang Wilhelm seinen Erbkämmerer und
Amtmann zu Kaster, Johann Bernhard Freiherr von Bongart,
mit den im Amte Kaster gelegenen Dörfern Glesch und
Paffendorf belehnt, läßt den Namen eines neuen
Landesherren, des Pfalzgrafen Wolfgang Wilhelm von
Pfalz-Neuburg auftauchen.
Als der geistig umnachtete Herzog, Johann
Wilhelm von Kleve-Jülich Berg, kinderlos und als letzter
seines Stammes im Jahre 1609 starb, erlosch das
Herzoghaus am Niederrhein und der Erbfall wurde akut. Die
vier mit Nachkommen gesegneten Schwestern des
Verstorbenen diskutierten die Erbfrage aufs Heftigste.
Auf Grund eines Privilegs hätte dem Sohn der ältesten
Schwester Johann Wilhelms das Erbe gegeben werden
müssen. Sie hatte aber keine Söhne. So bezeichnete
Anna, die zweite Schwester des Verstorbenen und Gattin
des Pfalzgrafen Philipp Ludwig von Neuburg ihren
ältesten Sohn Wolfgang-Wilhelm als rechtmäßigen
Inhaber des Anspruchs. Auch der Kaiser mischte sich ein
und selbst für das Ausland war das Problem von großem
Interesse. Bevölkerung und Stände des Herzogtums waren
konfessionell gemischt. Es war den Grenznachbarn
keinesfalls gleichgültig, ob es zu einer katholischen
oder protestantischen Erbfolge kam. Die Holländer
wünschten eine protestantische, die spanischen
Niederlande eine katholische Dynastie; Frankreich
wünschte mit Hilfe evangelischer Reichsfürsten den
Habsburgischen Einfluß am Niederrhein zurückzudrängen;
die Habsburger dagegen, ihre dortige Position weiter
auszubauen. Weil also alle Mächte ihre Interessen
unverhüllt zeigen, sahen sich die Erbanwärter
genötigt, die Protektion einer der großen zu erreichen,
um so zum Ziel zu kommen.
Als mit dem Tode Johann Wilhelms der Erbfall
akut wurde, rückten Brandenburg und Pfalz-Neuburg sofort
mit Truppen ins Land und errichteten, bis zur Klärung
der Rechtslage durch ein Schiedsgericht eine vorläufige
Gemeinschaftsregierung. Hiergegen nahm mit ungewohnter
Entschiedenheit der Kaiser Stellung. Er selbst errichtete
eine kommissarische Regierung und ernannte den Erzherzog
Leopold zu deren Administrator. Seinem Befehl, das Land
zu räumen, leisteten die Besatzungstruppen aber
keineswegs Folge, sondern schickten sich an, ihren Erwerb
mit Waffen zu verteidigen. Als der Brandenburger zum
Kalvinismus und fast gleichzeitig der Neuburger zum
Katholizismus übertraten, hielten es Spanien und der
Kaiser (und die Liga) für besser, sich hinter den
Pfalzgrafen zu stellen. Holland dagegen trat
nachdrücklich für den Kurfürsten ein. Hierüber drohte
es erneut zu einem Zusammenstoß zu kommen. 1614
marschierten Spinola (von Belgien) und Moritz von Oranien
(von Holland) an den Rhein und vereinigten sich mit ihren
Verbündeten. Doch ehe es zum Kampf kam, griffen England
und Frankreich vermittelnd ein und erzwangen einen
Ausgleich. Sie sprachen jedem das halbe Land zu: der
Pfalzgraf erhielt das vereinigte Herzogtum Jülich-Berg,
der Kurfürst Kleve mit den Grafschaften Mark und
Ravensberg. Ungeachtet der politischen Trennung, die der
Vertrag von Xanten im Jahre 1614 zog, blieben
gemeinschaftliche Verfassungseinrichtungen zwischen den
Landesteilen bestehen. Und obwohl ein lokaler Kleinkrieg
sich noch jahrzehntelang zwischen den neuen Landesherren
fortsetzte, fand mit der Xantener Regelung der Erbstreit
im wesentlichen sein Ende.
Der Dreißigjährige Krieg fand am
Niederrhein sein Vorspiel im Jülich-Klevischen
Erbfolgestreit, der durch den Tod Johann Wilhelms Herzogs
von Jülich-Kleve-Berg im Jahre 1609 ausgelöst wurde.
(Er wurde durch den erwähnten Vertrag von Xanten im
Jahre 1614 beendet.) Die Länder Jülich und Berg kamen
an das Haus Pfalz-Neuburg. Hatte der Xantener Vertrag u.
a. bestimmt, daß alle fremden Truppen aus den
umstrittenen Erbländern abziehen sollten, behielten
Spanier und Niederländer ihre bis dahin eingenommenen
Plätze weiter in Besitz. Frankreich verbündete sich im
Jahre 1635 mit Hessen-Kassel gegen den Kaiser. Kurköln
stand auf Seiten des Kaisers und Wolfgang Wilhelm
erklärte seine Länder für neutral. Leider war dieser
seiner Politik kein Erfolg beschieden. Und er und seine
Länder wurden in das Kriegsgeschehen mit hineingezogen.
Die Erft war dabei eine wichtige, heftig umstrittene
strategische Linie. Trotz der Proteste Wolfgang Wilhelms
richteten sich Verbündete und Feinde im Lande ein und
bezogen Quartiere. Bedburg, Bergheim und Kaster wurden zu
Lagern fremder Soldateska. Wie es damals militärischer
Brauch war, zogen die Heere fleißig umher, mieden
möglichst ein Zusammentreffen mit dem Gegner und
drangsalierten die Bevölkerung. Dabei hinterließen sie,
wie ein zeitgenössischer Bericht es formuiliert, das
Land zwischen Erft und Niers wie "von Heuschrecken
kahlgefressen". Als sich die Franzosen im Oktober
1642 von den Hessen getrennt hatten, konnten die
Kaiserlichen eine Offensive gegen die festen Plätze des
Feindes im Süden wagen. Jan van Werth erschien mit vier
Regimentern im Raum von Düren, am 3. Oktober traf er in
Glesch ein und eroberte die festen Plätze an der Erft
zurück. Der Kriegsschauplatz verlagerte sich zwar nun in
andere Gebiete, aber für das Erftland begann eine mehr
als zehnjährige Besatzungszeit, die noch unerträglicher
war als die Jahre vorher. Diese Besatzungszeit dauerte
bis über den Friedensschluß von Osnabrück im Jahre
1648 hinaus an, da den Hessen beträchtliche
Kriegsentschädigungen zugesagt worden waren. Wolfgang
Wilhelm mußte seine ausgebluteten Länder immer wieder
zur pünktlichen Bezahlung der hohen Kontibutionen
anhalten. Mitten in der Saatzeit wurden den Bauern die
Pferde weggeholt. 1650 verließen die Hessen Kaster und
Bergheim; und die Schweden, die 1649 in Bedburg
eingerückt waren, das Land.
In der zweiten Hälfte des Jahrhunderts
berührten auch die Kriege Ludwigs XIV. das Kreisgebiet
und brachten Zerstörung und Plünderung. Der
Wiederaufstieg aus diesen langen Zeiten der Drangsal war
entsprechend schwer und langsam. 1667 belehnt Pfalzgraf
Philipp Wilhelm seinen Erbkämmerer Bernhard Freiherrn
von dem Bongart und dessen Erben mit der Jurisdiktion
"in Civil - und gemeinen Malefitz Sachen" in
den Dörfern Glesch und Paffendorf.
Das 18.
Jahrhundert
war für Glesch und den Erftraum überwiegend eine Zeit
des Friedens ohne große dramatische Akzente. In Glesch
herrscht die Familie von dem Bongart, die 1721, 1746 und
1782 vom jeweiligen Landesherrn mit der Gerichtsbarkeit
belehnt wird. Erst die französische Revolution ließ es
wieder zu Kriegsereignissen im Erftgebiet kommen. Doch es
waren nicht nur die Kampfhandlungen der französischen
Heere und ihrer Gegner, es waren die Ideen der
Revolution, die Unruhe unter das Volk brachten. Zunächst
erschien die konstitutionelle Monarchie in der durch die
erste französische Verfassung vom 3. September 1781
festgelegten Form vielen Rheinländern als vortreffliche
Einrichtung. Hier wie in Frankreich hatte ein Teil der
Landbevölkerung in der Revolution von Anfang an das
willkommene Hilfsmittel erblickt, sich endlich von all
den vielfachen Lasten zu befreien, die seit dem
Mittelalter den Bauernstand einseitig bedrückten. Die
Aussicht, daß der Zehnt für immer aufgehoben sei und
Adel und Bauern nach dem gleichen Gesetz gerichtet
würden, erschien in der Tat großartig.
Am 20. April 1792 erklärte Ludwig XVI. von
Frankreich, Österreich den Krieg. Das mit Österreich in
einem Defensivbündnis vereinigte Preußen erklärte sich
durch Friederich Wilhelm sofort mit Österreich
solidarisch. Von den Kämpfen dieser Heere wurde auch das
Erftland durch Einquartierungen, Fouragieren und
Dienstleistungen mittelbar betroffen. Lebensmittel und
Kieidung, vor allem aber Wagen und Pferde, Hafer, Heu und
Stroh wurden von den nach Köln durchziehenden Truppen
requiriert. Darüber hinaus wurden Contributionen [=
Beiträge zu den Kriegskosten geforderte Geldsummen]
ausgeschrieben.
Die hochgespielten Versprechungen: Freiheit,
Gleichheit, Friede den Hütten, Krieg den Schlössern,
die Aussicht darauf, daß "die Bauern in Zukunft
Spargel und Blumenkohl, so sonst nur für Pfaffen und
Junker gewachsen wären", selbst essen könnten,
erfüllten sich nicht, ja der Verlust der requirierten
Pferde wirkte sich so empfindlich aus, daß ein Teil der
Felder für das Jahr 1795 nicht bestellt werden konnte
und der Getreidepreis stark anstieg.
Die französische Verwaltungsorganisation in
der 20jährigen Besatzungszeit des Rheinlandes wirkt noch
bis in unsere Gegenwart fort. Nicht nur der heutige Kreis
Bergheim ist aus den beiden französischen Kantonen
Bergheim und Kerpen mit den Mairien als
Bürgermeistereien im Jahre 1816 gebildet worden. Aus
dieser Zeit stammen ebenfalls die ersten Ansätze der
späteren Industrialisierung - Braunkohle und
Zuckerindustrie.
Die erste neue Verwaltungsordnung war die
Umbildung der bestehenden Ämter in
"municipalité" [der Munizipalrat ist der
Gemeinderat]. Im Jahre 1795 bestanden in dem Bereich
zwischen Maas und Rhein acht Bezirksverwaltungen
("arrondissements"). Diesen waren die
Zentralverwaltung in Aachen übergeordnet. Als höchste
Instanz wurde eine rein französische Mittelkommission
["commission intermediaire"] mit dem Sitz in
Bonn geschaffen. Von hier aus sollte in den
niederrheinischen Landen ein "cisrhenanischer"
Pufferstaat gebildet werden. Als Werbemittel für die
cisrhenanische Republik war die Befreiung von Zehnten und
Feudallasten gedacht, doch der Erfolg war gering. Zwar
wurde auch in Bergheim ein Freiheitsbaum gepflanzt, doch
es war nur eine republikanische Minorität innerhalb der
Bevölkerung, die sich für die neue Idee entflammte. Das
"Frankfurter Journal" vom 28. Oktober 1797
berichtet: "Das Jülicher Land ist endlich auch der
Schauplatz der Taten der cisrhenanischen Revolutionäre
geworden. Einige ihrer Missionäre haben dieser Tage in
Bergheim einen Freiheitsbaum errichtet. Die Bauern der
nächsten Ortschaften waren zwar zu diesen
Feierlichkeiten eingeladen worden, es kam aber keiner und
außer denen, die ihn setzten, waren nur 40 Dragoner als
Bedeckung gegenwärtig." Auch weigerte sich die
Bürgerschaft, die für dieses Fest ausgelegten 400
Reichstaler zu zahlen. Wegen einer Klage der kleinen
cisrhenanischen Gruppe in Bergheim, daß die Bevölkerung
nicht zahlungswillig sei, kam jedoch von der
französischen Mittelkommission in beachtlicher
Konsequenz ihrer Ideologie nur die Anweisung, die
Cisrhenanen hätten die Kosten selbst zu tragen - nach
dem Motto "wer die Musik bestellt, bezahlt sie
auch". Die Revolution dürfe in den eroberten
Ländern nicht anders unterstützt werden, als sofern es
der erklärte wahre Wille eines Volkes sei, frei zu sein.
Bereits seit dem Januar 1795 war das Verlangen der
französischen Regierung nach Erklärungen der
rheinischen Bevölkerung in dem Sinne, daß sie mit der
französischen Republik vereinigt zu sein wünsche,
wiederholt zum Ausdruck gekommen und es wurden Stimmen
und Stellungnahmen gesammelt. Unter den 41 Kantonen des
Departements de la Roer sandten neun Kantone keine
Zustimmungserklärungen ein. Zu ihnen zählte auch
Bergheim und zum Kanton Bergheim, Glesch (1798). Die
Durchführung dieses Planes scheiterte, doch eine andere
französische Errungenschaft, das neue, vom Jahre 1804 ab
in Frankreich geltende bürgerliche Recht, der Code
Civil, auch Code Napoleon genannt, galt bis zur
Einführung des Deutschen Bürgerlichen Gesetzbuches am
1. Januar 1900 u. a. auch im linksrheinischen Teil von
Preußen. Eine weitere einschneidende Maßnahme war die
Säkularisation. Durch das Dekret vom 9. Juli 1802 wurde
die völlige Aufhebung aller geistlichen Genossenschaften
und die Einziehung ihres gesamten Vermögens angeordnet.
Die drei rheinischen Erzbistümer Köln, Mainz und Trier
blieben nicht weiter bestehen. Das Erzbistum Köln ging
dabei vollends unter, die beiden anderen wurden einfache
Bistümer. Das linksrheinische Gebiet wurde Teil des
neuen Bistums Aachen. Glesch erhielt 1801 selbständige
Pfarrrechte, die ihm 1808 zugunsten von Paffendorf wieder
entzogen wurden. Erst 1837 wird Glesch selbständige
Pfarre.
Am 5. April 1815 kam das Erftland nach 20
Jahren französischer Besetzung unter preußische
Herrschaft und König Friedrich Wilhelm der III. von
Preußen übernahm damit das Gebiet von Bingen bis
Emmerich, eine zusammengewürfelte Landesmasse, die vor
1794 wenig Verbindendes gehabt hatte. Bei der Einführung
der preußischen Verwaltung im Rheinland wurden die
Grundzüge altpreußischer Verwaltungsorganisation
zunächst weitgehend angewandt. In den altpreußischen
Gebieten lag die Ausübung der Hoheitsrechte in Händen
des Grundbesitzenden, in den "Kreisen"
ansässigen Adels. Der Landrat war Vertreter der Krone im
Kreise und zugleich Vertrauensmann der
"Stände" unter denen wiederum der Adel eine
beherrschende Stellung einnahmen. Dieser Doppelstellung
des Landrates entsprach auch die Art seiner Berufung in
das Amt. Die Stände hatten das Vorschlagsrecht, während
der König den Landrat berief. Bei der Einteilung des
Regierungsbezirks Köln in Kreise wurde aus den
vormaligen französischen Kantonen Kerpen und Bergheim
der Kreis Bergheim gebildet. ["nur zwei Mairien des
ehemaligen Kantons Kerpen, Rath und Ober-Bolheim, wurden
dem Kreise Düren zugewiesen].
Doch wie sah das einfache Leben zu Beginn
des vergangenen Jahrhunderts hier auf dem Lande aus? Die
Jahre 1816/1817 sind Notjahre im Kreise Bergheim gewesen.
Aus den wenigen erhaltenen handschriftlichen Quellen von
einzelnen Höfen wird mehrfach über Mißernten bedingt
durch Mäuse und Schneckenplagen sowie über schlechtes
Saatgut und Auswinterung Klage geführt. Die größeren
Höfe konnten solch schlechte Jahre überstehen. Da sie
in patriarchalischem System für ihre Knechte,
Tagelöhner und Handwerker sorgten, blieben auch diese
von größter Not verschont. Aber selbst in den Dörfern
der fruchtbaren Ackerebene herrschte gelegentlich in den
landarmen Familien derartige Not, daß sie aus Mangel an
Geld und Brot Hunger litten.
Die größeren Höfe produzierten nach dem
System des Patriarchalbetriebes zunächst für den
Eigenbedarf der Familie und des Personals.Daraus ergab
sich die Notwendigkeit einer umfangreichen
Vorratshaltung. Nur die Überschüsse wurden an den Markt
verkauft. Getreide, wobei Roggen überwog - die
Erftländer waren vorwiegend Schwarzbrotesser - Klee,
Raps und gewisse Gemüsesorten bildeten den Ertrag.
Überschüssiges Brotgetreide wurde meist nach Neuß und
Hafer nach Köln verkauft. Der Rapssamen wurde zur
Eigenversorgung des Hofes mit Leucht- und Schmieröl
sowie mit Rübkuchen (Viehfutter) zur Ölmühle nach
Glesch gefahren und aufbereitet. Der Überschuß wanderte
nach Neuß. Zu Beginn der preußischen Zeit war die
bäuerliche Wirtschaft noch gänzlich arbeitsintensiv.
Dabei bleiben die Erträge selbst in guten Erntejahren
als Folge der von der alten Tradition eingeengten
Wirtschaftsformen und der mangelhaften Düngung trotz der
guten Böden recht bescheiden. Als dann mit den 30er
Jahren im Rheinland die Industrialisierung begann und die
Bevölkerungsziffern stiegen, ergab sich für die
erftländischen Bauern ein größerer Absatzmarkt für
ihre Produkte. Dabei erleichterte der am 6. September
1841 eröffnete Streckenteil der Eisenbahn Köln-Aachen,
die den Kreis durchquerte, die Verbindung vom Erzeuger
zum Verbraucher ernorm.
Eine wesentliche Maßnahme zur Nutzung
brachliegenden Landes war die großzügige Melioration
der Erft. Johannes Nepomuk von Schwerz schilderte 1836
die Erftaue als "eine wilde urwüchsige
Flußlandschaft, in der die Wiesen versauern und
versumpfen". Wurden anfangs nur die
Wiesenerträgnisse gehoben, so kam es gegen Endes des
vergangenen Jahrhunderts zu einer wesentlich besseren
Futterproduktion.
Um das Jahr 1860 läßt sich ein deuticher
Wendepunkt für die Entwicklung des Erftlandes festsetzen
und zwar treten Sand- und Kiesgruben und Bergwerke (d. h.
Kleinstunternehmungen des Braunkohlenabbaues) auf. Der
industrielle Aufschwung der 70er Jahre läßt die Löhne
in diesem Erwerbszweig höhersteigen, und es zeichnet
sich bereits eine Abwanderung der Arbeitskräfte von der
Landwirtschaft zur Industrie ab. Trotzdem war der Kreis
Bergheim bis in das letzte Drittel des vergangenen
Jahrhunderts eine Landschaft der Bauern, von einer
Braunkohlenindustrie konnte noch nicht die Rede sein, es
war die sogenannte "Klüttenzeit". Auch die
Zukkerfabrikation war unmittelbar an die bäuerliche
Wirtschaft gebunden.
Waren die über das Kreisgebiet gestreuten
alten Einzelhöfe durchweg Großhöfe, zumeist aus
ehemaligem Adel und Kirchenbesitz oder bedeutendere Höfe
innerhalb von Ortschaften, alle aber bestrebt, das
Besitztum in einer Hand zu vereinigen, so wurde seit der
französischen Herrschaft von der nun möglichen
Freiteilbarkeit des Landes, häufig bei Mittel- und
Kleinbetrieben gebrauch gemacht. So wurde im Jahre 1819
in Köln der Glescher Stamshof mit 145 Morgen Land zum
Verkauf angeboten. Im Jahre 1820 folgten der Frohnhof und
der Karthäuserhof zu Glesch.
Den Bewohnern des Erftlandes konnte eine
gesunde, realistische Einstellung zu den Gegebenheiten
des Lebens und der Politik nachgesagt werden; in einem
Bericht heißt es unter: "Sittliche Zustände: In
dieser Hinsicht läßt sich von den Bewohnern des Kreises
Bergheim nur Rühmliches melden. Sie sind durchgehend
fleißige Ackerbauern, friedliebend und weder zu Exzessen
und Schwelgereien geneigt, noch prozeßsüchtig oder
einer ungeeigneten Opposition gegen die Maßregeln der
Verwaltungsbehörden sich hingebend" - So berichtete
der Regierungs- und Departementsrat Freiherr von
Munch-Bellinghausen 1838 nach einer Revision der
Verwaltungen im Kreis Bergheim an den Kölner
Regierungspräsidenten. Die wirtschaftlichen
Verhältnisse hielt der Regierungsrat für gut. Sie waren
noch ganz von der Landwirtschaft bestimmt. Nur Türnich
und "einige Orte in der Nähe des Vorgebirges"
bildeten eine Ausnahme. Dort, so schrieb von
Munch-Bellinghausen, leben die Leute von dürftigem
Erwerb in den nahegelegenen Braubkohlengruben.
Die Braunkohle
Nichts kündigte an, daß die braune
Umbraerde, deren Vorkommen schon im Mittelalter bekannt
war, als Braunkohle einmal zum Schicksal des ganzen
Landes werden sollte. Die schwärzliche Masse, die
Quellen und Bäche braun färbte, die in geringer Tiefe
unter Schottern und Lehm lag und deren Mächtigkeit an
den Hängen unter Verwitterungsschutt offenbar wurde,
konnte als brennbare Kohle erst im 18. Jahrhundert in
bescheidenem Maße, dann aber in der Folgezeit gegen Ende
des 19. Jahrhunderts mehr und mehr abgetragen werden.
Dieser abgetragene Torf, der getrocknet und in Kloben
(Klütten) gepreßt wurde, wanderte so in die Öfen.
Bis zur französischen Zeit konnte die nicht
regale (hoheitsrechtlich verwertbare) Braunkohle oder der
"Torf" von den Eignern oder
Grundstückspächtern ebenso wie Ton, Sand und Kies
ausgehoben werden. Erst als diese "Umbraerde"
auf Betreiben des Präfekten Ladoncette zum "regalen
Mineral" ernannt worden war, wurde ein Rechtszustand
geschaffen, der die Bergwerksteuer auch auf die
"Klüttenkaulen" anwenden ließ. In der ersten
Bergwerksteuerrolle für das Jahr 1812 sind bereits zehn
Grubeneigentümer aus dem heutigen Kreisgebiet enthalten.
Dieses französische Bergrecht blieb als Rheinisches
Bergrecht bis zum Jahr 1865 gültig. Infolge der
primitiven Abbauweise waren noch um 1800 die Gruben alle
sehr klein und kurzlebig. Sie hatten auch keine festen
Namen, sondern wurden oft nach dem jeweiligen Eigentümer
oder Pächter benannt. Meist arbeiteten in jeder Grube
nur zwei bis vier Mann, in der größten etwa 20 Mann.
War der Beginn der Braunkohlenförderung
mühsam und nur wenig lohnend, so gelangte der Bergbau
bei fortschreitender Entfaltung, der Technik in jene
Formen des Großbetriebs, die ihn in konsequenter
Entwickiung zu dem heutigen Riesenunternehmen haben
wachsen lassen. Im Augenblick und die Gegenwart ist
verglichen mit der langen Zeit der Vergangenheit, wo die
Bodenschätze noch unangetastet waren und der kurzen Zeit
des noch rentablen möglichen Abbaus ein Augenblick -
stehen hier alle Grundlagen des Lebens, alle menschlichen
Tätigkeiten und jegliche öffentliche Arbeit im Banne
der Braunkohle und ihres Abbaus. In wiederum 50 Jahren
wird diese Aktivität erloschen sein, vergangen wie ein
Spuk.
Gerade dieser Wandel, diese Landschaft im
Umbruch macht den historischen Rückblick, das Besinnen
auf das Gestern, für die Aufgaben von Heute und Morgen
notwendig.
Lassen Sie mich zum Schluß kommen. Die
Arbeit der Geschichtsforschung vergleicht sich am besten
mit der Arbeit an der Wiederherstellung eines alten
Mosaiks. Da sind einzelne Steine die man klar erkennen
und bestimmen kann. In den Zwischenräumen aber fehlt es
an solcher Gewißheit. Die Rekonstruktion kann da nur
Schlüsse ziehen, Linien annehmen, wie es gewesen sein
könnte. So ergeben die schriftlichen Überlieferungen,
die Glesch betreffen kein vollständiges abgerundetes
Werk, dessen Einzelheiten deutlich erkennbar sind, es
sind Bruchstücke, zufällige Überbleibsel, die sich in
den größeren Rahmen der erftländischen Geschichte
gebettet, deuten lassen und auch für den Laien an Sinn
gewinnen.
Der Inhalt der Urkunden und Akten ist
vielfältig, Schenkungen und Belehnungen, Verkaufsakten
und Kirchenprotokolle, Verfügungen über Hand- und
Spanndienste und Zinsreklamationen werfen Schlaglichter
auf jeweils ein kleines Gebiet. Diese Lückenhaftigkeit
verbietet hier sicheres Wissen durch bloße Vermutung
oder blühende Phantasie zu ersetzen.
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